Sequenz- und Sequenzierungseffekte bei der Bearbeitung voraussetzungsreicher Aufgaben

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Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-10972
http://hdl.handle.net/10900/48547
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2003
Sprache: Deutsch
Fakultät: 7 Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Fachbereich: Sonstige - Informations- und Kognitionswissenschaften
Gutachter: Hesse, Friedrich Wilhelm
Tag der mündl. Prüfung: 2003-07-23
DDC-Klassifikation: 004 - Informatik
Schlagworte: Problemlösen , Analogie , Wissenserwerb , Sequenz , Transfer
Freie Schlagwörter: Sequenzeffekt , Aufgabensequenzierung
sequence effect , order effect , problem sequencing
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Sequenzeffekte bestehen in Variationen der Problemlöseperformanz bei der Bearbeitung multipler Aufgaben in Abhängigkeit von der Reihenfolge, in der die Aufgaben dargeboten werden. Sequenzierungseffekte ergeben sich dagegen, wenn sich die Performanz von Personen, die Aufgaben in einer vorgegebenen Sequenz bearbeiten, von der Performanz derjenigen Personen unterscheidet, die eine davon abweichende Bearbeitungsreihenfolge wählen. Diese Effekte werden für voraussetzungsreiche Aufgaben untersucht, deren Bearbeitung in hohem Ausmaß Vorwissen voraussetzt. Nach dem im theoretischen Teil der Arbeit entwickelten Rahmenmodell können Sequenzeffekte resultieren, wenn sich Aufgabensequenzen in dem Ausmaß unterscheiden, in dem sie Lernprozesse bei der Aufgabenbearbeitung und/oder Wissenstransferprozesse unterstützen. Lernprozesse werden vor allem gefördert, wenn aufeinander folgende Aufgaben in ihrer Komplexität zunehmen, während ein Wissenstransfer insbesondere durch die sukzessive Bearbeitung strukturell ähnlicher Aufgaben begünstigt wird. Im Unterschied zu voraussetzungsarmen Aufgaben sind Lernprozesse bei der Bearbeitung voraussetzungsreicher Aufgaben vorwissensabhängig und können zu umfangreichen Erweiterungen des Wissensbestands eines Problemlösers führen (z.B. Erwerb von Fallwissen). Weiterhin legen Befunde zum analogen Transfer nahe, dass Sequenzeffekte für diese Aufgaben nicht automatisch auftreten, sondern davon abhängen, ob ein Problemlöser potenziell vorhandene strukturelle Ähnlichkeiten zwischen Aufgaben erkennt. Das Erkennen struktureller Merkmale ist unter anderem abhängig vom Vorwissen sowie von lösungsirrelevanten Oberflächenmerkmalen der Aufgaben, die bei voraussetzungsarmen Aufgaben bedeutungslos sind. Das Rahmenmodell lässt auch Aussagen darüber zu, inwieweit Problemlöser potenzielle Sequenzeffekte strategisch nutzen können, indem sie Aufgaben vor der eigentlichen Bearbeitung zunächst in eine günstige Bearbeitungsreihenfolge zu bringen. Dabei interessiert sowohl die Frage, unter welchen Bedingungen eine solche Aufgabensequenzierung vorgenommen wird als auch, wie die Problemlöseperformanz dadurch beeinflusst wird. Im empirischen Teil der Arbeit zeigt eine Fragebogenstudie zunächst, dass Problemlöser davon ausgehen, dass Sequenzeffekte in Abhängigkeit von einer Anordnung der Aufgaben nach ihrer Komplexität und strukturellen Ähnlichkeit existieren. Zusätzlich geben die Befragten an, eine eigene Reihenfolge für die Aufgabenbearbeitung zu wählen, indem sie einfache Aufgaben zuerst bearbeiten. Die Tatsache, dass Problemlöser sowohl von der Existenz von Sequenz- als auch von Sequenzierungseffekten ausgehen, bildet eine wesentliche Voraussetzung für deren experimentelle Untersuchung. In einer ersten Experimentalserie werden Sequenzeffekte für Algebraaufgaben, deren Oberflächen- und Strukturmerkmale systematisch variiert werden, nachgewiesen. Eine Sequenz, in der oberflächlich ähnliche, aber strukturell verschiedene Aufgaben nacheinander bearbeitet werden, führt zu besseren Problemlöseleistungen als eine nach struktureller Ähnlichkeit geblockte Abfolge der gleichen Aufgaben. Erklärt wird dieser Befund dadurch, dass eine nach Oberflächenmerkmalen geblockte Sequenz strukturelle Unterschiede aufeinander folgender Aufgaben betont und so Lernprozesse bei der Aufgabenbearbeitung fördert. Liegt dagegen bereits Wissen über strukturelle Aufgabenmerkmale vor, kehrt sich dieser Sequenzeffekt um, da Problemlöser dann eher von der Möglichkeit eines analogen Wissenstransfers innerhalb einer nach Strukturmerkmalen geblockten Sequenz profitieren. Demnach interagiert Vorwissen mit der Entstehung von Sequenzeffekten. In der zweiten Experimentalserie zur Bearbeitung von Kombinatorikaufgaben ergeben sich bessere Problemlöseleistungen für eine Aufgabensequenz, in der Aufgaben einer Aufgabenkategorie nach zunehmender Komplexität angeordnet sind und in der strukturell ähnliche Kategorien nacheinander präsentiert werden, als für eine Aufgabensequenz, in der diese Anordnungsprinzipien invertiert sind. Allerdings ist dieser Sequenzeffekt nur in Verbindung mit einer Instruktion zur Aufgabensequenzierung nachweisbar. Schließlich zeigt sich, dass das Sequenzierungsverhalten an die Qualität der Präsentationssequenz adaptiert ist, indem Umsequenzierungen vor allem bei einer ungünstigen Abfolge erfolgen. Vor allem Personen mit hohem Vorwissen verbessern ihre Leistung durch die Sequenzierung und zwar unabhängig davon, ob sie von einer a priori als günstig oder als ungünstig definierten Sequenz abweichen. Dieser Befund sowie weitere Ergebnisse legen nahe, dass die Möglichkeit zur Aufgabensequenzierung eine allgemeine Förderung des Wissenserwerbs und der Problemlöseperformanz bewirkt, indem Elaborations- und Vergleichsprozesse angeregt werden. Insgesamt stützen die Befunde das Modell zur Entstehung von Sequenzeffekten bei der Bearbeitung voraussetzungsreicher Aufgaben sowie die daraus abgeleiteten Annahmen zu Sequenzierungseffekten.

Abstract:

Sequence effects are said to occur whenever performance varies as a function of the order in which multiple problems are solved. Furthermore, sequencing effects may arise whenever the problem-solving performance of persons, who solve problems in a predefined sequence, differs from the performance of persons who choose their own sequence and who thereby deviate from the predefined order. Both effects are investigated for knowledge-rich problems which require that a problem solver endues a high level of prior knowledge in order to solve the problems. According to the model on sequence effects that is developed in the theoretical part of the dissertation sequence effects may arise whenever problem sequences differ with regard to the way the foster either learning during problem solving and/or knowledge transfer among successive problems. Learning processes are mainly supported by a simple-to-complex sequence, whereas transfer is facilitated particularly if structurally similar problems are solved in succession. Contrary to knowledge-lean problems, learning during solving knowledge-rich problems depends on prior knowledge and may lead to considerable augmentations of the knowledge structure of the problem solver (e.g., acquisition of case-based knowledge). Additionally, findings on analogical transfer suggest that transfer does not occur automatically for these problems; rather it depends on whether a problem solver is able to recognize potential structural similarities among problems. Recognizing structural similarities is affected by prior knowledge as well as by solution-irrelevant surface features of the problems which hardly play any role when working on knowledge-lean problems. The sequence-effects model additionally allows for predictions with regard to whether problem solvers may make use of sequence effects in a strategic way by rearranging problems into a suitable sequence before solving them. Here it is of interest to know the conditions under which problem sequencing takes place as well as whether problem-solving performance is affected by it. In the empirical part of the dissertation a questionnaire study firstly reveals that problem solvers indeed assume that sequence effects exist as a function of arranging problems according to their complexity and their structural similarity. Additionally, the respondents indicate that they would choose their own order for solving problems by beginning to work on easy problems first. The fact that problem solvers are positive about the existence of sequence as well as of sequencing effects is an important prerequisite for their experimental investigation. In a first series of experiments sequence effects for algebra word problems whose surface and structural features are systematically varied are demonstrated. A sequence in which superficially similar, but structurally different problems are solved in succession results in superior outcomes compared to a sequence of the same problems blocked according to their structural similarities. This effect can be explained by assuming that a surface-blocked sequence highlights the structural differences among succeeding problems and thus fosters learning problem solving. However, if prior knowledge concerning the structural features of the problems is already available, this sequence effect is inverted. In this case problem solvers may benefit from the opportunities for analogical transfer provided within a structurally-blocked sequence. Accordingly, prior knowledge moderates the emergence of sequence effects. In a second series of experiments on solving problems from combinatorics a better problem-solving performance results for a problem sequence in which problems belonging to the same problem category are arranged in a simple-to-complex sequence and in which structural similar categories are presented in succession – compared to a sequence in which these principles are reversed. However, this sequence effect can be demonstrated only when participants are given the opportunity to arrange problems by themselves at the same time. Finally, the data show that their sequencing behavior is adapted to the quality of the presentation sequence of the problems as participants mainly rearrange problems when being presented with an unsuitable problem sequence initially. Especially participants with high prior knowledge improve their performance by arranging problems irrespective of whether they deviate from a suitable or from an unsuitable order of problems. This and other findings suggest that the opportunity to arrange problems improves learning and problem solving in general by stimulating processes of elaborating and comparing problems. All in all the pattern of results confirms the model on the emergence of sequence effects for knowledge-rich problems as well as the assumptions which were derived from the model with regard to sequencing effects.

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