Inhaltszusammenfassung:
Obwohl die absolute Oberflächenspannung eine für viele Anwendungen relevante,
fundamentale Eigenschaft von Festkörperoberflächen ist, existiert bisher kein
Verfahren, mit dem diese makroskopische Größe mit akzeptabler Genauigkeit
gemessen werden kann. Änderungen der Oberflächenspannung lassen sich mit der
sogenannten Biegebalkenmethode ermitteln, Absolutwerte dagegen nicht.
Nach einem von Müller und Kern 1994 aufgestellten Modell hat die absolute
Oberflächenspannung einen nicht vernachlässigbaren Einfluß auf die durch die
Schwerkraft verursachte Deformation von sehr dünnen, waagerecht aufgehängten
Einkristallen. Eine Messung des Effektes ist allerdings technisch
anspruchsvoll und wurde in der vorliegenden Arbeit erstmals realisiert.
Durch den Einsatz von Phasenschiebungs-Interferometrie ist es gelungen, die
Biegelinie eines 25,4 mm langen und ca. 50 Mikrometer dicken Si(111)-Streifen
zu bestimmen. Dabei zeigte sich jedoch, daß die Deformation von der absoluten
Oberflächenspannung unabhängig ist. Dieses Verhalten konnte durch eine
ausführliche theoretische Analyse erklärt werden, wobei das Modell von Müller
und Kern widerlegt wurde. Tatsächlich tritt die vorhergesagte Abhängigkeit nur
unter speziellen Randbedingungen auf. Aus einem überarbeiteten Modell konnte
eine neue Probengeometrie abgeleitet werden, mit der die Messung der absoluten
Oberflächenspannung prinzipiell möglich ist.