Inhaltszusammenfassung:
Während fünf Jahren wurden im Auftrag von kantonalen Erziehungsdirektionen über 1'600 Lehrpersonen der Volksschule inkl. Kindergarten und Gymnasium (Kantone Aargau, Luzern, Solothurn: Schweiz) befragt zu den Ursachen ihrer beruflichen Zufriedenheit und empfundenen Belastungen, zur Belastungsverarbeitung, zum körperlichen Wohlbefinden, zu Umschulungs und Weiterbildungsabsichten, zur Wiederwahl des Berufs im Falle einer erneuten Berufswahlentscheidung und zu Kündigungsabsichten. Alle austretenden Lehrkräfte hatten zu den Hintergründen ihrer Kündigung Stellung zu beziehen. Erfolgt der Stellenwechsel infolge beruflicher Unzufriedenheit? Leiden die betreffenden Lehrkräfte an ihrem Beruf, sind sie berufsmüde oder gar ausgebrannt? Und: Welcher Tätigkeit wenden sie sich zu, nach sie den Schuldienst quittiert haben?
Ausgangspunkt der Befragung war die aufgrund der vielen Kündigungen angespannte Lage auf dem Lehrkräftearbeitsmarkt. Einerseits liefern die Ergebnisse bildungspolitisch relevante Daten zur Genese der beruflichen Zufriedenheit oder Unzufriedenheit sowie der Belastungen von Lehrpersonen. Andererseits dienen die Angaben der Lehrpersonen dazu, deren Fluktuationsverhalten zu verstehen, um den ständigen Pendelbewegungen zwischen Lehrkräfteüberfluss und Lehrkräftemangel wirksam begegnen zu können.
Lehrkräfte jammern über sinkende Löhne und Anerkennung bei steigenden Belastungen und Anforderungen. Sie beklagen unmögliche Kinder, ehrgeizige Eltern, Zusatzaufgaben, ständiges Herumwerkeln an der Schule. Andererseits sollen sie es gut haben: viel Lohn und lange Ferien. In Studien ist die Rede von hoch belasteten, ausgebrannten und physisch angeschlagenen Lehrkräfte; das zu einem Zeitpunkt, in dem die Schule und die in ihr Tätigen nicht nur hohen Ansprüchen genügen müssen, sondern auch mit vielen Veränderungen konfrontiert sind. Daraus wird gelegentlich der Schluss gezogen werden, dass es schlecht um die Schule stehe. Sind diese Fremdurteile über unsere Lehrerinnen und Lehrer wahr?
Werden neben Belastungen auch andere Einstellungen erhoben, etwa die berufliche Zufriedenheit oder die Absicht, den Lehrberuf im Fall einer erneuten Berufswahl wieder zu ergreifen, kommt ein anderes Bild zustande.
Die Annahme, die mit ihrer Arbeit zufriedenen Lehrpersonen blieben ihrem Beruf treu, engagieren sich in Schulentwicklungsprojekten und sind motiviert Unterrichtende, erwies sich für die vorliegende Projektdurchführung als nicht bedeutsam. So sind, um einen irritierenden Sachverhalt anzusprechen, kündigende Lehrkräfte zufriedener als an ihrer Stelle bleibende und würden ihren Beruf im Fall einer erneuten Berufswahlentscheidung eher wieder ergreifen. Für gewisse Untergruppen gilt sogar. Je zufriedener eine Lehrkraft ist, je weniger Belastungen sie wahrnimmt und je eher sie den Lehrberuf im Fall einer erneuten Entscheidung wieder ergreifen würde, desto höher ist ihre Kündigungsabsicht. In diesem Fall sind allerdings alters-, geschlechts- und schultypenspezifische Effekte ausschlaggebender als die Wahrnehmung von Zufriedenheit und Belastungen.
Weiterentwicklungen und Veränderungen im Schulwesen führen zu Widerstand und zu Unzufriedenheit, doch sie beeinflussen die berufliche Zufriedenheit insgesamt kaum. Trotz Belastungen, trotz Widerwärtigkeiten, trotz hohen und steigenden Berufsansprüchen sehen sich knapp vier Fünftel in ihrem Beruf so zufrieden, dass sie ihn wieder wählen würden. Dieser Befund gilt für bleibende und kündigende Lehrkräfte gleichermassen. Es gibt Sachverhalte, welche die Lehrpersonen wenig befriedigen oder stark belasten, jedoch für Kündigungen unerheblich sind.
Die vorliegende Arbeit, die auf den Angaben der Antworten von rund 1600 kündigenden und an ihrer Stelle bleibenden Lehrpersonen basiert, kommt zu folgenden Aussagen:
- Lehrkräfte unterrichten gern, auch wenn sie sich über etliche Begleitumstände in ihrer Berufsausübung beklagen.
- Kündigende empfinden weniger Belastungen als Bleibende.
- Lehrkräfte sind recht hoch belastet ... und trotzdem zufrieden.
- Lehrkräfte sind zufrieden ... und kündigen doch.
- Am stärksten sind die Lehrpersonen durch unsoziales Verhalten der Schülerinnen und Schüler, Gewalt und Aggressionen der Schülerschaft, problembeladene Schülerinnen und Schüler, Lärm und Unruhe in der Klasse sowie unmotivierte Schülerinnen und Schüler belastet. Die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern trägt gemäss Regressionsanalysen aber auch am meisten zur Zufriedenheit im Lehrberuf bei.
- Am stärksten fühlen sich die Lehrpersonen der Realschule (Sekundarstufe I mit Grundansprüchen) sowie die über Vierzigjährigen belastet. Primarschullehrkräfte würden ihren Beruf eher wieder wählen als Lehrkräfte der Sekundarstufe I.
- Lehrerinnen sind zufriedener als Lehrer, sie nehmen geringer Belastungen wahr und weisen eine höhere Wiederwahlabsicht auf, denken aber häufiger an eine Umschulung, um eine über den Lehrberuf hinausführende Qualifikation zu erwerben.
- Lehrpersonen mit grossen Klassen sind - ausser mit der Klassengrösse - genau so zufrieden oder unzufrieden wie solche mit wenig Schülerinnen und Schülern.
- Gewalt und Aggressionen belasten vor allem die jüngsten Lehrpersonen.
- Trotz den hohen, von Schülerinnen und Schülern ausgehenden Belastungswerten belastet der Erwartungsdruck von Seiten der Eltern und der Gesellschaft die Lehrkräfte merklich stärker als derjenige von Schülerinnen und Schülern.
- Ausserunterrichtliche Begebenheiten und Erwachsene sind für Kündigungen relevanter als 'Unterrichtliches' und Schülerinnen und Schüler. Zusätzliche Aufgaben (administrative Aufgaben) ausserhalb des Unterrichts verursachen weit zahlreicher Kündigungen.
Abstract:
In the order of the departments of education of the Swiss Cantons during a period of five years over 1'600 teachers of the elementary school including Kindergarten and High School have been questioned to the causes of their job satisfaction and perceived strains, to the coping of the strain, to the physical well-being, to intentions on improving and continuing ones education, on the idea of choosing the job once more in the case of a renewed job decision-making and on quitting. All emerging teachers had to take position to the reason of their quitting.
The results give relevant information on the educational policy of reasons for job satisfaction or dissatisfaction as well as on the strain of the teachers. On the other hand the statements of the teachers help understanding the fluctuation and dealing with the influence that the abundance and lack of teachers have on each other.
The assumption that teachers, who are satisfied with their work would stay in their jobs, would engage themselves in developing school projects and would be motivated to teach, proves to be incorrect. Developments and variations in the education system lead to resistance and dissatisfaction, but do hardly have any influence on the job satisfaction altogether.
These are the conclusions of this dissertation:
- Teachers who have given notice of their quitting feel less of the strain than teachers who remain in their jobs.
- Teachers have quite an amount of strain to carry ... but are nevertheless satisfied.
- Teachers are satisfied... and do yet quit.
- Violence and aggression are a burden especially for the youngest teachers.
- Despite the strain nearly four-fifth of the teachers are happy enough with their job to choose it again. This result counts for both, quitting and remaining teachers.
- The most strain comes from unsocial behaviour of the students, noise and unrest in the class as well as from unmotivated students. The work with students however carries the most satisfaction in teaching according to the regression analyses. Teachers of the secondary school level I ("Realschule" with basic demands) as well as the ones older than forty years feel the most strain. Teachers of the primary school would choose their jobs again more likely than teachers of the secondary school level I.
- Female teachers are more satisfied with their jobs than male teachers, the strain seems less heavy to them, they show more intention to choose their job once more, yet think more often about improving their education in order to be more qualified.
- Teachers with large classes are - except with the size of the class - as satisfied or dissatisfied as teachers with smaller classes.
- Adults and events besides teaching are more relevant for quitting than the tasks concerning teaching and the students themselves. Additional tasks (administrative tasks) besides teaching cause far more reasons to quit.