1543 - Japan entdeckt? Die Strittigkeit der Entdeckungsdarstellung im Licht der portugiesisch-spanischen Rivalität.

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URI: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-30959
http://hdl.handle.net/10900/46289
Dokumentart: PhDThesis
Date: 2006
Language: German
Faculty: 5 Philosophische Fakultät
Department: Asien- und Orientwissenschaften
Advisor: Eisenhofer-Halim, Hannelore (Dr. phil. habil.)
Day of Oral Examination: 2006-07-07
DDC Classifikation: 950 - History of Asia; Far East
Keywords: Tordesillas / Vertrag , Tanega-shima , Fernhandel , Molukken , Barros, João de
Other Keywords: Entdeckungsgeschichte , Saragossa / Vertrag , Japan / Christliches Jahrhundert
Japan / Christian century , history of discovery , Long Distance trade , Tordesillas / treaty , Tanega-shima
License: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Im Zuge der Entdeckungsaktivitäten Portugals und Spaniens, die mit Heinrich dem Seefahrer und später Kolumbus ihren Ausgang nahmen, kamen die Portugiesen als erste Europäer nach Japan. Die in einer portugiesischen Chronik des 16. Jahrhunderts beschriebene Landung gilt als die Stunde Null in der gemeinsamen Geschichte Europas und Japans. Vage Kenntnis hatte man in Europa bereits seit Marco Polo, der von einem halbmythischen Land namens "Cipangu" berichtet hatte. Während der 200 Jahre später beginnenden Suche eines Seewegs nach Indien war dieses Land kurzfristig seines angeblichen Goldreichtums wegen gesucht, aber nicht gefunden worden. Schließlich versiegte das Interesse und Japan wurde erst als eines der letzten Länder Asiens an das Handelsimperium Portugals angegliedert. Das Jahr 1543 gibt der allgemein als gültiger Entdeckungsbericht geltende Abschnitt der Chronik Diogo do Coutos (Fortsetzung nach Barros) für die erste Landung der Portugiesen an. Obwohl der Bericht sehr problematisch ist, hat die Forschung nie an der Authentizität dieses Ereignisses als der europäischen "Entdeckung" Japans gezweifelt. Tatsächlich aber lassen sich weder die Namen der Seeleute, noch die Jahreszahl oder sogar der Ort der Landung zweifelsfrei nachweisen. Die Unsicherheiten werden durch die Tatsache verstärkt, dass es sich bei dem "Entdeckerschiff" wohl um ein Schmuggelschiff unter chinesischem Kommando handelte. Vor allem aber findet sich ein Hinweis für ein mögliches früheres Datum einer "Entdeckung" in einem früheren Abschnitt der Chronik (Barros), der von einer Landung schon vor 1539 spricht. Warum aber hätten die Portugiesen ein späteres Ereignis als "Entdeckung" darstellen sollen? Bei den Rahmenbedingungen der portugiesischen Expansion war die Rivalität mit Spanien einer der maßgeblichen Faktoren. Spanien hatte kurz vor der portugiesischen Eröffnung des Seewegs nach Indien einen ersten Versuch unternommen, dieselben Gebiete schneller über Westen zu erreichen. Als Folge dieser Konkurrenz um Kolonialisierung und Handel einigten sich die beiden Kronen 1494 im Vertrag von Tordesillas über die Aufteilung von zukünftig zu entdeckenden Ländern. Weiteren Gebietsstreitigkeiten sollte durch eine Demarkationslinie im Atlantik vorgebeugt werden: Der Westen für Spanien, der Osten für Portugal. Die Verlängerung der Linie auf der Pazifik-Seite aber konnte man damals noch nicht bestimmen. Erst 1529 einigte man sich im Vertrag von Saragossa. Im Ergebnis verlief der „Antimeridian“ etwa entlang des 145. östlichen Längengrades und damit nach heutigem Wissen durch den Osten Hokkaidos. Angesichts der völlig unzureichenden Gebietskenntnisse um Japan konnten sich keine Seite sicher sein, wo die Linie hier verlief und wem Japan vertraglich zufiel. Alarmierend für die Portugiesen war dabei die grundsätzliche Bereitschaft zum Vertragsbruch der Spanier, die wiederholt versuchten, Land westlich des Antimeridians für sich zu "entdecken" – denn eine "Entdeckung" war für die Verteidigung des Anspruchs gerade in Streitfällen unbedingt notwendig. Hierbei bekam eine Klausel aus Saragossa für vertragswidrige Landungen in Folge eines Sturms besondere Bedeutung. Naviagtion in fremden Gebieten wurde damit quasi legitim und die Seeleute galten nicht als vertragsbrüchig. Spanien selbst berief sich wiederholt auf diese "Sturmklausel". Aber auch Portugal machte Gebrauch davon, und zwar bei der angeblichen "Entdeckung" Japans. Angesichts der unklaren Zugehörigkeit des Landes, der Notwendigkeit einer der Gegenseite bekannten Entdeckung desselben sowie vertragsgemäßer Schifffahrt - es sei denn "abgetrieben im Sturm" - scheint der Entdeckungsbericht von 1543 eher für einen politischen Zweck konstruiert als authentisch. Zu dieser Zeit nämlich war Spanien im Begriff, von Westen her nach "Ostindien" einzudringen – eine Bedrohung der portugiesischen Monopolstellung im Handel. Japan bekam dabei als strategischer Vorposten an der östlichen Grenze zum Pazifik und für die Nähe zu China als Handelspartner große Bedeutung. Sollte das Land, für Spanien leicht zu erreichen, nicht in dessen Hände geraten, mussten die Portugiesen es zuerst für sich beanspruchen. Weil die wahrscheinlich bereits Jahre zurückliegende Erstlandung Spanien nicht bekannt war, wurde ein solches Ereignis konstruiert und den Spaniern umgehend mitgeteilt – ein Hergang, der sich unmittelbar durch entsprechende Berichte in spanischen Quellen rekonstruieren lässt. Damit sicherte sich Portugal den Einfluss in Japan, schützte seine Ostgrenze zum Pazifik und hielt die Spanier (teilweise) vom Handel mit China fern. Der Entdeckungsbericht selbst hält damit einer genauen Überprüfung anhand aller verfügbaren Quellen und Indizien kaum stand, sondern erscheint als politisch und geostrategisch motiviertes Konstrukt im Streit um die Einflussgebiete in "Ostindien", während die tatsächliche Erstlandung der Portugiesen viel wahrscheinlicher auf einen Zeitpunkt noch vor 1539 vorverlegt werden muss.

Abstract:

In the course of Portuguese and Spanish discoveries that started with Henry the Navigator and later Columbus, Portuguese sailors were the first Europeans to reach Japan. A landing testified in a 16th century Portuguese chronicle is considered as the starting point of a mutual European and Japanese history. In Europe vague knowledge about a half mythical land called Cipangu existed ever since Marco Polo's account. During the search for a sea route to India 200 years later the discoverers looked for this land because of its famed wealth of gold, without success, though. Finally the interest ceased and Japan was only included into Portugal's trading empire as one of the last countries in Asia. 1543 is given as the year for Portugal's first landing in that particular section of Diogo do Couto’s chronicle (continuing Barros), which is generally accepted as the official discovery report for Japan. But even though this report is highly problematic scientists have never doubted the authenticity of this event as the actual European "discovery" of Japan. In effect, neither the sailors' names nor the date or even the place of the landing itself can be verified or proven beyond any doubt. The insecurities become even more apparent by the fact that the "discoverers' ship" sailed under the command of Chinese smugglers. Above all, however, we do have one hint as to a possible earlier date for a "discovery" in a preceding section of the same chronicle (by João de Barros) mentioning a landing before 1539. But why would the Portuguese have presented a later event as the "discovery"? Within the general conditions of Portuguese expansion the competition with rivaling Spain was one of the most decisive facts. Shortly before Portugal opened the sea route to India Spain had started a first attempt to reach the same regions quicker going westwards. As a result of this competition about discoveries, colonization and direct trade with India, the two crowns agreed on the division of prospective land to be discovered in the treaty of Tordesillas. Further conflicts were to be prevented by means of a demarcation line: the west belonged to Spain, the east to Portugal. However, at the time of the treaty there were no means to determine the continuation of the line on the Pacific side. Eventually, an "antimeridian" was agreed upon in the treaty of Zaragosa in 1529. That line ran more or less along the 145th degree of longitude and therefore according to present knowledge through the eastern part of Hokkaido. Given the insufficient geographical knowledge around Japan, however, neither side could have been sure about the exact course of the line and, consequently, to which side Japan "belonged". The alarming fact for the Portuguese was that Spain at an early stage had shown a disposition to default. Documents from those years point to the fact that they repeatedly aimed at "discovering" land west of the antimeridian – because a genuine discovery was absolutely essential to defend a claim especially in disputed cases. Here, a clause of Zaragosa that regulated cases of landings in foreign regions as the result of a storm became particularly important as navigation in foreign regions became quasi legitimate, and sailors were not seen as defaulting. Spain referred to this "storm clause" repeatedly. Portugal, however, made use of the clause, too – interestingly enough in the alleged "discovery" of Japan. Given the unclear affiliation of the country, the necessity of a discovery with which the opposing side was familiar as well as navigation restricted by the treaty to one’s own regions – except when cast away in a storm – the discovery report of 1543, rather then being authentic, seems to have been designed for a political aim. At this time Spain was about to penetrate "East India" from the West – a threat to Portugal's trade monopoly. As a strategic outpost at the eastern border to the Pacific and because of its vicinity to China, Japan became particularly important. The Portuguese had to claim it for themselves first should this country, easy to reach for the Spaniards, not fall into the hands of the Spaniards. Because the first landing presumably took place years earlier - but knowledge of which had not reached Spain - such an event had to be designed and communicated to the Spaniards immediately – a course of events that can be reconstructed instantaneously through relevant reports in Spanish sources. Doing so, Portugal secured its influence in Japan, protected its eastern border to the Pacific and kept Spain (partly) away from trade with China. The "official" discovery report therefore hardly withstands a detailed survey on the basis of all available sources and indications. Rather, it appears as a politically and geo-strategically motivated construct in the conflict about regional influence and land in "East India" while Portugal's actual first landing most probably has to be brought forward to a date even earlier than 1539.

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