Morphometrische Untersuchungen an quartären Pferden in Mitteleuropa

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Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-30389
http://hdl.handle.net/10900/44033
Dokumentart: Buch
Erscheinungsdatum: 2007
Sprache: Deutsch
Fakultät: 9 Sonstige / Externe
Fachbereich: Sonstige/Externe
DDC-Klassifikation: 930 - Alte Geschichte, Archäologie
Schlagworte: Pferde <Familie> , Morphometrie , Taxonomie , Mitteleuropa
Freie Schlagwörter: Equiden , Quartär , Mitteleuropa , Taxonomie , Morphometrie
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Inhaltszusammenfassung:

Die Eiszeiten des Quartärs bewirkten dramatische Klimaschwankungen, die enorme Konsequenzen für die Umwelt und ihre Bewohner mit sich brachten. Diese vielfältigen Auswirkungen des Klimas auf die ökologischen Verhältnisse konnten biologische Veränderungen hervorrufen, die am Beispiel der caballinen Equiden in West- und Mitteleuropa untersucht wurden. Die Körpergröße der außerordentlich variablen Tierart Pferd steht im Zentrum, und es ist das vorrangige Ziel dieser Arbeit, das Wesen der morphologischen Verändemngen der Pferde in Zeit und Raum so genau wie möglich zu erfassen. Die Grundlage bildet das Messen von Knochenresten mit Hilfe osteometrischer Verfahren, wobei die Berechnung des Größenindex VSI (Variability-Size-Index nach Uerpmann 1979, 1982) eine breite Datenbasis gewährleistet. Gleichzeitig wurden in vielen Fällen isotopenchemische Sauerstoffanalysen an den Knochenfragmenten durchgeführt, die als Klimaproxies direkte klimatische Information liefen (Dissertation Stephan 1999). Unter zusätzlicher Einbeziehung aller verfügbarer Informationen aus den Nachbarwissenschaften Geologie, Sedimentologie und Pedologie, in Kombination mit Paläontologie und Archäobiologie konnten die Fundplätze zeitlich und klimatisch eingeordnet werden als Ausgangspunkt für die Untersuchung einerseits der zeitlichen Veränderung der Körpergröße der caballinen Equiden vom frühen Mittelpleistozän bis ins späte Jungpleistozän und andererseits der geographischen Variation von Spanien bis Polen in der Zeit vor und nach dem Kaltemaximum der letzten Eiszeit. Es ergab sich eine Beziehung zwischen der durchschnittlichen Umgebungstemperatur und der Körpergröße der caballinen Equiden: Zeigten niedrige 6'80~-Wertek alte Umweltbedingungen an, waren die Tiere kleiner, bei hohen 6180p-Werten in warmen Klimaten, waren die Pferde größer; d.h. Klimaveränderungen haben definitiv zu morphologischen Anpassungen geführt. Die Temperatur allein kann aber nicht ausschlaggebend für die Größenveränderungen der Pferde gewesen sein, denn Sauerstoffisotopenanalysen im Knochenapatit der Tiere zeigen, daß sowohl die größten (Bilzingsleben) als auch die kleinsten Pferde (Mauer, Löss) unter ähnlichen Umwelttemperaturen gelebt haben. Außerdem ergab sich bei Untersuchungen zur geographischen Variation der caballinen Equiden eine Zunahme der Körpergröße von West nach Ost, also von ozeanischen zu kontinentalen Regionen. Welcher Art die zusätzlich einwirkenden klimatischen Faktoren sind, ist nicht genau faßbar. Diese Anpassung in der Körpergröße beschränken sich nicht nur auf eine bestimmte Zeitscheibe, sondern wiederholen sich kurvenartig im Verlauf der Kalt- und Warmphasen des eiszeitlichen Rhythmus. So stammen aus den Fundstellen, die in die kältesten Phasen der Eiszeiten datiert werden, die jeweils kleinsten Pferde: Die Knochenreste aus der Fundstelle Salzgitter-Lebenstedt, die aufgrund neuer ESR-Datierung (Hoffmann in Vorbereitung) in das Hochriss gestellt werden kann, repräsentieren die kleinsten Tiere aus dem vorletzten Glazial, während Fragmente der kleinsten Pferde der letzten Eiszeit in der Fundstelle Wiesbaden-Igstadt im Hochwürm abgelagert wurden. Dagegen finden sich in interglazialen Fundstellen caballine Pferde mit sehr großen Körpermaßen, so im warmzeitlichen Cromer- und Holstein-Komplex und im Eem-Interglazial. Dabei ist das Optimum an Körpergröße nicht direkt an ein klimatisches Wärmeoptimum gekoppelt, sondern entwickelt sich vor bzw. nach einem solchen Optimum, wenn das Ökosystem vom Eichenmischwald reduziert ist in eine offenere Landschaft mit viel Gras- und Steppenvegetation. Ein solches Habitat garantiert dem Grasäser Pferd ausreichende Futterressourcen auch in Zeiten wie z.B. im Winter in Mitteleuropa, in denen Knappheit auftreten könnte. Über den Umweg über die Vegetation und die Futterverfügbarkeit gepaart mit anderen Faktoren, bewirken Klimaverändemngen die Anpassung der Körpergröße bei der herbivoren Species Pferd. Die Messungen der Knochenfragmente von Spanien bis Polen im Gravettien haben eine Größenzunahme der caballinen Pferde von West- nach Zentraleuropa ergeben. Die spanischen Pferde aus der Fundstelle Arbreda sind kleiner als die französischen Tiere aus Solutre, diese wiederum reichen in der Größe nicht an Pferde aus dem Mährischen Gravettien heran, während im östlichsten Fundplatz Kielce in Polen die in dieser Reihe größten Knochenfragmente gefunden wurden. Eine solche Variation ist kein Einzelphänomen, sondern wird bei anderen Tierarten gleichermaljen festgestellt, zuletzt bei Rentieren (Rangifer tarandus). Weinstock (2000: 101) macht für diesen Größenunterschied den Einfluß der Kontinentalität geltend: In kontinentalen Gebieten ist die Sterblichkeit von Herbivoren aufgrund der strengen Winter mit geringer Futterverfügbarkeit viel höher als in ozeanischen Gebieten mit weniger Temperaturunterschieden zwischen den Jahreszeiten. Er sieht den Einfuß der Kontinentalität auf die Körpergröße der Tiere proportional zur 'Halsweite' des 'winter bottleneck' im Zusammenhang mit anderen Sueßfaktoren des Winters. Im Gegensatz zum Gravettien ist der westöstliche Größengradient der caballinen Pferde im zeitlich darauf folgenden Magdalknien nicht zu beobachten, er kehrt sich sogar leicht um. Während dieser Kulturstufe flaut die Kältedepression des Würm-Hochglazials ab, was in den ozeanischen Mittelmeergebieten früher zu einer Klimaverbesserung führt als in der Schweiz und Mitteldeutschland (Frenzel et al. 1992; Mellars 1996). Entsprechend sind die magda-Ienienzeitlichen Pferde aus Bora Gran (Spanien) größer als diejenigen aus dem Kesslerloch (Schweiz) und den deutschen Fundplätzen Andernach, Gönnersdorf und Oelknitz. Abschließend beschäftigt sich diese Arbeit mit dem Problem der uneinheitlichen Taxonomie von quartären Pferden. Es sollte ein Beitrag geleistet werden, die verwirrenden Bezeichnungen caballiner Pferde nomenklatorisch korrekt auf einen Nenner zu bringen. Aufgrund der weit gefaßten Artdefinition (Siewing 1980:811): "Individuen, die in allen wesentlichen Merkmalen untereinander und mit ihren Nachkommen übereinstimmen, werden zu einer Art gerechnet." ist es möglich, auch Populationen zu einer Art zusammenzufassen, die räumlich und zeitlich weit voneinander entfernt liegen. So werden die caballinen Pferde des Quartärs als Artkontinuum betrachten, die sich nur durch ihre unterschiedliche Körpergröße als Antwort auf wechselnde klimatische Bedingungen unterscheiden. Variierende Körpergröße ist aber kein Kriterium, welches eine neue Art definiert! Deshalb wird der Vorschlag unterbreitet, alle caballinen Pferde des Quartärs mit dem von Pallas 1775 zuerst vergebenen Terminus 'Equus ferus' zu benennen, und vielleicht auf der taxonomischen Ebene der Unterarten chronologische Unterarten für quartäre Equiden zu überlegen.

Abstract:

The quaternary glaciation of Europe brought dramatic climate change that strongly affected both the environment and its inhabitants. The primary aim of this dissertation is to investigate biological changes that were influenced by these climatic fluctuations, specifically correlations between body size of the variable species of caballine horse (Equus ferus) and environmental change during the Pleistocene. In order to analyse the morphological changes in horse most effectively, it is necessary to build a complete paleoenvironmental framework, which is possible through evaluation of a combination of data from archaeobiological, palaeontological, geological, sedimentological, and stratigraphical contexts. This study is concerned with three aspects of the size variability in caballine horses: 1) the temporal variability of body size from the Middle to Late Pleistocene in central Europe, 2) the geographical variation of Equus ferus during the Late Palaeolithic from western to central Europe, and 3) the problem of taxonomy for the Genus Equus. In order to best characterize 'body size' of equids, the the osteometric method of "Variability-Size-Index" (VSI) (Uerpmann 1982) is used. VSI is a special method to compare diverse skeletal elements in biometrical evaluations with the effect of enlarging the number of comparative bone fragments. Size indices are defined as measures for the deviation of a particular dimension from the respective dimension in a 'standard', which can either be a single individual (Logarithmic-Size-Index LSI, Uerpmann 1990) or a standard population. The VSI method requires the selection of a 'standard population' for quaternary horses, this standard population comes from the Middle Pleistocene (01s 13 or 15) site of Mosbach near Wiesbaden, Germany. The VSI distribution of the Mosbach horses approaches a normal distribution, rellecting a high level of biological homogeneity. Isotope analyses on a series of Middle and Late Pleistocene horse bone from the study area conducted by Elisabeth Stephan (1999) provide a paleoenvironmental framework in which to evaluate changes in horse body size. Oxygen isotope ratios in animal bone tissue depend on the global oxygen cycle. The oxygen isotope ratios ('80/160i)n the drinking water of mammals change as a function of temperature, humidity, and other related effects. This ratio is changed by fractionation in the body in ways characteristic for each species and independent of environmental temperature until the oxygen isotopes are incorporated in the hydroxyapatite of the bones. Investigations of recent equids and other mammals show a linear relationship between the oxygen isotope ratios of drinking water and bone phosphate (Longinelli 1984; Luz & Kolodny 1985). Because of this linear relationship and the stability of phosphate, the 6180 value of animal bones reflect the isotopic composition of the drinking water at the time of the formation of the hydroxyapatite. Therefore, it is possible to obtain specific information about palaeoenvironments and climate on the basis of the oxygen isotope ratios of bone phosphate (Ayliffe & Chivas 1990; Luz et al. 1990). The data from isotope analyses allow us to predict morphological changes in body size of horses during the Pleistocene: if low levels of oxygen isotope ratios indicate cold climate, the mean VSI value of the horses was low and therefore the animals were small in size. In contrast, if high levels of oxygen isotope ratios indicate warm climate, the mean VSI value was also high and horses were larger in size. These predictions are indeed reflected in the osteometric data analysed in this study, in that the smallest horses are found in the coldest sites and the largest horses from warm sites. This correlation is not only obvious in a single unit of time, but it is repeated throughout the glacial cycles. Examples of small horses from the coldest periods of the glaciation come from Salzgitter-Lebenstedt, a site recently dated with the ESR method to the maximum cold stage of the RissISaale (01s 6) (Dirk Hoffmann, in preparation) and from the site of Wiesbaden-Igstadt, dated to the maximum cold stage of the WurrnIWeichsel (01s 4). Largebodied horses came from interglacial sites in the Cromerian and Eemian but the optimum in temperature is not the optimum in body size: horses are largest before or after a climatic optimum, in cases where the temperature is somewhat lower and vegetation changes from oak woodland to a more open form of grassland with steppic elements. This ecosystem provides horses with the best resources for growth, reproduction, and survival, even during winter when plant food is not always available in central Europe. Temperature is only one component in the complex combination of elements that make up climate and is not the only factor that influenced the body size of horse. The oxygen isotope ratios in horse bone show that in some cases, the largest and smallest horses lived under similar conditions of temperature. On the other hand, comparison of results from different geographical regions shows that larger horses are found in central Europe and smaller individuals in western Europe, a second indication that temperature is not the only factor that influences body size in horses. Osteometrics of horse bones from Gravettian deposits between Spain and Poland indicate an increase in body size from western to central Europe. The Spanish horses are smaller than those from France, which are then smaller than horses from those in Gravettian sites from Czech Republic and Poland. The largest horses were recovered from excavations at the Jaskinia Raj site in eastern Poland. This variation in body size is also discernable in reindeer (Rangifer tarandus, Weinstock 2000). Weinstock (2000: 101) discusses a correlation between body size and continentality: "...more continental areas may suffer from more rigorous winters, with higher mortality rates during this season - and thus less intraspecific competition during the growth season - than more oceanic areas. Continentality could be directly proportional to the 'width' of the winter bottleneck." In contrast to the situation in the Gravettian, when body size of caballine horses increases from the west to east, body size does not increase during the Magdalenian. The very cold and dry climate of the glacial maximum changed into better climatic conditions in oceanic areas earlier than continental regions, which is the reason that Magdalenian horses in Spain, living in warmer habitats with good food resources, are slightly larger than their relatives in Switzerland and Germany. Lastly, this dissertation discusses the problem of nomenclature and taxonomy of the Genus Equus. According to Siewing (1980:811): "Individuals, who correspond in all important characteristics with each other and with their descendants, are one species." This definition of species incorporates populations that are geographically and temporally separated. In this sense, all species of Pleistocene caballine horses are the continuation of one species of wild horse, called Equus ferus Pallas 1775, however it might be sensible to assign subspecies for different chronological periods that accounts for the extensive variation in body size over time.

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