Geburtseinleitung mit Wehencocktail: Retrospektiver Vergleich eines Kollektivs von Schwangeren und Neugeborenen der Regelversorgung (Level III) mit einem universitären Perinatalzentrum (Level I)

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Zitierfähiger Link (URI): http://hdl.handle.net/10900/167530
http://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-1675307
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-108857
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2025-07-03
Sprache: Deutsch
Fakultät: 4 Medizinische Fakultät
Fachbereich: Medizin
Gutachter: Abele, Harald (Prof. Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2025-06-06
Schlagworte: Geburt , Geburtseinleitung , Rizinusöl , Frauenklinik , Hebamme , Geburtshilfe
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

2021 führte das Perinatalzentrum Tübingen eine Studie mit dem Ziel durch, die geburtsfördernde Effektivität des Rizinusöls mit anderen in der Leitlinie uneingeschränkt empfohlenen Einleitungsoptionen zu vergleichen (Dorothee Christine-Marie Hoffmann, 2021). Während kein statistisch signifikanter Unterschied im Vergleich zu anderen Einleitungsmethoden im Auftreten von kindlichen und mütterlichen Komplikationen festgestellt werden konnte, zeigte die Analyse, dass nach einer Wehencocktail-Einleitung bis zur Geburt verstärkt weitere Einleitunsmethoden bei den folgenden Geburtsinduktionen erforderlich wurden. Das Einleitungs-Geburts- Intervall in der Gruppe mit initialem Wehencocktail zeigte sich gegenüber der Kontrollgruppe ohne Wehencocktail signifikant verlängert. Die multivariante Analyse ergab, dass bei Erstgebärenden die Einnahme eines Wehencocktails mit einer erhöhten Chance einer spontanen Geburt assoziiert war (Dorothee Christine-Marie Hoffmann, 2021). Die zentrale Frage dieser Arbeit war, ob sich die Ergebnisse im Patientinnenkollektiv eines Regel- und Grundversorgers reproduzieren lassen. Ziel war es auch in diesem Kollektiv zu zeigen, ob eine Geburtseinleitung per Wehencocktail ein effektives Mittel zur Geburtseinleitung darstellt und ob der Wehencocktail eine vaginale Geburt im Low Risk Kollektiv fördert. Marker um dies festzustellen sind die Anzahl der Einleitungsversuche, das Intervall zwischen der ersten Einleitung und der Entbindung, die gesamte Aufenthaltsdauer, der Geburtsmodus, der APGAR und pH-Wert, sowie die Inzidenz von Geburtskomplikationen. In diese Studie wurde ein Gesamtkollektiv von insgesamt 1125 Mutter-Kind Paaren eingeschlossen. Von diesen erhielten 442 (39,3%) einen Wehencocktail beim ersten Einleitungsversuch, 683 (60,7%) erhielten initial eine andere Einleitungsmethode. Durchschnittlich war die Patientin 31 Jahre alt (Tabelle 4). In der Wehencocktailgruppe lag der BMI im Median bei 30, in der Referenzgruppe bei 31,0 (Tabelle 5). Dabei wurde der Wehencocktail bei Nulliparität in 37,5% der Fälle und bei Multiparität bei 41,7% der Fälle gegeben (Tabelle 7). Die Anzahl der Einleitungsversuche war in der Wehencocktailgruppe deutlich geringer als in der Referenzgruppe (Tabelle 9). Dies führte zu einem kürzeren Einleitungs- Geburtsintervall, im gesamten Kollektiv betrug es 30,5 Stunden. Innerhalb der Wehencocktailgruppe betrug die Zeit von der ersten Einleitung bis zur Entbindung 26,8 Stunden, durchschnittlich war die Zeit bis zur Geburt in der Referenzgruppe damit 6 Stunden länger (Tabelle 14). Die Inzidenz eines Spontanpartus lag in der Wehencocktailgruppe mit 69,7% signifikant höher als in der Vergleichsgruppe (Tabelle 16). Im Bezug auf das maternale oder fetale Outcome konnte für den Wehencocktail gegenüber anderen Einleitungsmitteln kein Nachteil in der univariaten Analyse festgestellt werden: Der APGAR Wert nach 5 Minuten (Tabelle 18), der arterielle pH- Wert des Nabelschnurblutes postpartal (Tabelle 19/20), sowie die Inzidenz von Komplikationen (Tabelle 21) waren in den zwei Kollektiven, Wehencocktailgruppe und Referenzgruppe, nicht unterschiedlich. Betrachtet man die Kollektive, so kann festgehalten werden, dass diese nicht heterogen sind und teilweise erhebliche Unterschiede aufweisen, aus welchen ungünstige initiale Ausgangslagen für eine erfolgreiche schonende Geburtseinleitung entstehen könnten. So war der BMI in der Wehencocktailgruppe statistisch signifikant geringer. Es wurde im Z.n. Sectio deutlich seltener ein Wehencocktail gegeben (Tabelle 8). Die Patientinnen der Wehencocktailgruppe waren durchschnittlich weniger adipös (Tabelle 5) und die Schwangerschaft war in deutlich fortgeschritteneren Gestationsalter (Tabelle 10) Die Einleitungsindikation war häufiger vorzeitiger Blasensprung, welcher genauso wie ein erhöhtes Gestationsalter mit einer günstigen Grundlage für eine Geburtseinleitung assoziiert ist. Der Wehencocktail wurde seltener bei suspektem CTG, Oligohydramnion, HSE, maternalen Erkrankungen, Diabetes mellitus oder abnehmenden Kindsbewegungen gegeben (Sven Kehl et al., 2016). Letzter Indikationen führen häufiger zu Geburtskomplikationen (AWMF, 2021, AWMF, 2014). Die beschriebenen signifikanten Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen in Bezug auf die Einflussfaktoren können als systematische Verzerrungen (Bias) interpretiert werden, die zu einer verfälschten Interpretation der Ergebnisse führen könnten. Um den Effekt des Wehencocktails auf die Zielvariablen (Outcome) unabhängig von den Determinanten genauer zu bestimmen, wurde eine multivariate Analyse vorgenommen. Diese ergab in beiden Modellen, Erstparität und Multiparität, dass die Gabe eines Wehencocktails zu weniger Einleitunsversuchen und einer kürzeren Verweildauer in der Klinik führt. Entsprechend der Erwartungen aus der univariaten Analyse kann die initiale Gabe eines Wehencocktails im logistischen Multiregressionsmodell mit einer erhöhten Rate an Spontangeburten bei Erstparität korreliert werden. Diametral unterschiedliche zeigt sich das multivariate Regressionsmodell der Mehrgebärenden: Hier bestand kein signifikanter Einfluss des Wehencocktails auf das Auftreten einer Spontangeburt (Tabelle 26/27). Der in der universitären Frauenklinik Tübingen festgestellte positive Effekt des Wehencocktails, dass die Einnahme eine Anregung der körpereignen Geburtsprozesse auslöst und damit ein interventionsfreier und physiologischer Prozess beginnt (Dorothee Christine-Marie Hoffmann, 2021), konnte durch diese Studie auch in einem Grund- und Regelversorger mit einem Patientenkollektiv mit niedrigem Risiko beobachtet werden. Auch konnte beobachtet werden, dass parallel zu den Ergebnissen der universitären Frauenklinik Tübingen, bei Multiparität ein positiver Einfluss des Wehencocktails auf die Inzidenz eines Spontanpartus nicht beobachtet werden kann. Das ist gegensätzlich zu hinreichenden Wissenlage, dass Mehrgebärende eine per se bessere Chance auf einen Spontanpartus haben (Dorothee Christine-Marie Hoffmann, 2021). Allerdings ist dabei denkbar, dass der Wehencocktail in diesem Kollektiv keinen zusätzlichen Nutzen generieren kann, also der Faktor „Mehrgebärende“ als Faktor die Wirkung des Wehencocktails überstrahlt. Wichtig ist, dass auch bei Mehrgebärenden kein gegenüber anderen Einleitungsmethoden erhöhter negativer Effekt beobachtet werden konnte. Offen bleibt eine Untersuchung der subjektiven Akzeptanz eines Wehencocktails der Gebärenden und deren Zufriedenheit mit der gewählten Methode. Im Vergleich zum Kollektiv der Universitäts-Frauenklinik Tübingen erfolgte eine Geburtseinleitung im Bietigheim-Bissinger Kollektiv nur in einem engeren (oben erwähnten) Rahmen, welcher schlussendlich ein Bias darstellt. Auch die Vergleichbarkeit der Dosierung bzw. Zusammensetzung des nicht standardisierten Wehencocktails ist flächendeckend im besten Fall fragwürdig. Von allen eingeschlossenen Patientinnen, die nur einen Einleitungsversuch benötigten, kam es bei 68,1% nach Gabe eines Wehencocktails zur Geburt (301 bei n=608). Bei den Patientinnen, die im Rahmen des ersten Einleitungsversuchs einen Wehencocktail erhielten lag der Anteil der Spontangeburten mit 69,7% (308) signifikant höher als in der Vergleichsgruppe mit 60,5% (413) (p < 0,002). Zudem wurde in der Wehencocktailgruppe deutlich seltener ein Kaiserschnitt durchgeführt (19% bzw. 84 Fälle im Vergleich zu 25,8% bzw. 176 Fälle, p < 0,009). Die Analyse der Daten dieser Arbeit zeigt die Notwendigkeit weiterer Forschung auf diesem Gebiert in Form einer randomisierten prospektiven doppel-blind Studie.. Eine solche Studie stellt jedoch in der Geburtshilfe ein ethisches Dilemma dar, da es sich streng genommen um eine Medikamentenstudie handelt und solche am Kollektiv Schwangerer nur schwer durchführbar und mit hohen Kosten verbunden sind. Die Schlussfolgerung dieser Dissertation ist, dass eine Geburtseinleitung mit einem Wehencocktail an einem Grund- und Regelversorger mit dem entsprechenden Niedrig- Risiko Klientel ab der 38+0 SSW mit den o.g. Selektionskriterien eine sichere und effektive Einleitungsoption darzustellen scheint.

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