Die Dissertation ist gesperrt bis zum 01. Oktober 2026 !
Fledermäuse nutzen Echoortung zur Orientierung und Nahrungssuche in verschiedenen Lebensräumen. Sie begegnen dabei unterschiedlichen Herausforderungen, die von der Komplexität der Umgebung abhängen. Besonders herausfordernd ist die Detektion von flatternder Beute bei dichter Vegetation; eine Fähigkeit, die bei frequenzmodulierenden (FM) Fledermäusen noch nie schlüssig nachgewiesen wurde. Aus diesem Grund untersucht diese Dissertation das Echoortungsverhalten und die Jagdstrategien der wenig erforschten FM-Fledermausart Natalus tumidirostris. In Verhaltensexperimenten im Flugzelt unter seminatürlichen Bedingungen untersuchten wir das Echoortungs- und Jagdverhalten beim Fang von Insekten und diskutieren, wie das Echoortungssystem dieser Art angepasst ist, Beute im narrow space mit Echoortung zu detektieren und zu evaluieren. Des Weiteren führten wir Kotanalysen mittels Metabarcoding durch, um das Beutespektrum von N. tumidirosis zu bestimmen. Im Suchflug sendete N. tumidirostris kontinuierlich sehr leise, kurze (1.2 ms), breitbandige, hochfrequente FM-Laute mit einem sehr konstanten Pulsintervall von durchschnittlich 26 ms aus. Nach unserem Wissen produziert keine andere bisher beschriebene Fledermausart im Suchflug kontinuierlich Rufe mit einer Rufrate von 38 Hz, ohne die Laute zu gruppieren. Diese Echoortungsstrategie, in Kombination mit morphologischen Anpassungen wie einem sehr niedrigen wing loading und sehr niedrigen aspect ratio, welche diese Art zu einen äußerst manövrierfähigem Flug im hindernisreichen Räumen befähigen, deutet darauf hin, dass N. tumidirostris für die Jagd im narrow space angepasst ist. Unsere Verhaltensuntersuchungen zeigen darüber hinaus, dass N. tumidirostris die in den Echos flatternder Insekten enthaltenen Flatterinformation nutzt, um Beute zu detektieren und möglicherweise auch zu charakterisieren. In einem Verhaltensexperiment zeigte N. tumidirostris eine klare Präferenz für flatternde gegenüber nicht flatternden Motten. In einem weiteren Verhaltensexperiment, bei dem Motten 10 cm vor dichter Vegetation präsentiert wurden, fingen die Tiere die Motten nur, wenn sie flatterten. Außerdem flog N. tumidirostris einen rotierenden Propeller an, welcher den Flügelschlag eines Insekts simuliert. Unseres Wissens ist dies die erste Studie, die schlüssig zeigt, dass eine FM-Fledermaus die in den Echos der Insekten enthaltene Flatterinformation nutzt; eine Fähigkeit, die bisher nur für CF-Fledermäuse (constant frequency) nachgewiesen wurde. Darüber hinaus untersuchten wir, wie sich das Echoortungsverhalten von N. tumidirostris für die Erkennung von Flatterinformation eignet: Unsere Monte-Carlo-Simulationen zeigten, dass die Art durch die kontinuierliche Aussendung von Rufen während der Suchphase in der Lage sein sollte, von einer Motte pro Sekunde etwa vier Echos mit glint zu erhalten. In einem einzelnen Echo mit Glint ist Flatterinformation in Form einer plötzlichen Amplitudenerhöhung innerhalb eines begrenzten Frequenzbandes sowie durch die spektralen Eigenschaften des Glints kodiert. Wir gehen davon aus, dass die Information in einem einzelnen Echo für die Hypothese ausreicht, dass das Echo von einem flatternden Insekt kommt. Nach der Detektion wechselte N. tumidirostris im Echoortungsverhalten vom Suchflug zur Inspektionsphase, die im Mittel 0.6 s dauerte und in der die Pulsintervalle auf durchschnittlich 18 ms reduziert wurden. Wir diskutieren, wie N. tumidirostris in der Lage sein könnte, die Flatterfrequenz des Insekts während dieser Phase abzuschätzen, entweder durch einen einfachen Integrationsmechanismus, der die Anzahl der erkannten glints pro Zeiteinheit zählt, oder durch Compressive Sensing. An die Inspektionsphase schloss sich die finale Annäherung an das Insekt an. Dabei wurde der Lautabstand auf Werte um die 6 ms kurz vor dem Fang abgesenkt. Die Kotanalyse mit Metabarcoding ergab, dass der Hauptbestandteil der Nahrung von N. tumidirostris aus Insekten der Ordnung Lepidoptera besteht. Außerdem ergab diese Analyse einen hohen Anteil an DNA von Fliegen aus der Familie der Tachinidae. Da diese Fliegen Insektenlarven, insbesondere aus der Ordnung der Lepidoptera, parasitieren und die adulten Fliegen tagaktiv sind, gehen wir davon aus, dass N. tumidirostris Raupen konsumiert, die von Tachiniden befallen sind. Die Anwesenheit von nicht flatternder Beute wie Raupen und eine reduzierte Anzahl von Spinnen in der Nahrung von N. tumidirostris deutet darauf hin, dass diese Fledermaus neben Flatterdetektion auch das "aktives gleaning” als Jagdstrategie nutzt, um Insekten im narrow space zu jagen.