Multiperspektivisches Erzählen im Bilderbuch: Perspektivenstruktur und kognitive Herausforderungen

Abstract

Die vorliegende Dissertation geht von der Beobachtung aus, dass multiperspektivisches Erzählen seit dem späten 20. Jahrhundert, insbesondere durch den Einfluss der Postmoderne, verstärkt in Bilderbüchern zu finden ist. Untersucht wird, wie multiperspektivisches Erzählen im Bilderbuch als ein intermodales Medium aus Text und Bild umgesetzt wird, welche Funktionen es dabei erfüllt und welche kognitiven Fähigkeiten sowie Mechanismen erforderlich sind, um dieses Phänomen zu verstehen. Unter Berücksichtigung aktueller Ansätze und Forschungsergebnisse der Erzähltheorie werden die Konzepte „Perspektive“, „Perspektivenstruktur“ und „multiperspektivisches Erzählen“ kritisch beleuchtet und diskutiert. Es wird eine Typologie der Darstellungsformen des multiperspektivischen Erzählens im Bilderbuch sowie ein Modell zur Beschreibung der Perspektivenstruktur entwickelt, um die Komplexität des Phänomens sowohl in diskursnarratologischer als auch syntaktischer Hinsicht präziser zu erfassen als in bisherigen Studien. Ein weiteres Ziel der Arbeit ist es, mögliche Rezeptionsprozesse zu reflektieren. Anhand von Bilderbuchanalysen werden im Rahmen der kognitiven Erzähltheorie und der Entwicklungspsychologie die sozial-kognitiven Fähigkeiten untersucht, die notwendig sind, um multiperspektivisches Erzählen im Bilderbuch verstehen zu können. Auf diese Weise erweitert die Dissertation bestehende kognitiv-literaturwissenschaftliche Studien um die Dimension der Bilderbuchforschung. Der in dieser Arbeit entwickelte Ansatz liefert konzeptionelle Bausteine zur Erforschung von Bilderbuchnarration und -rezeption. Er bietet Orientierungspunkte für die Begriffsbestimmung und Rezeptionsforschung von Crossover-Bilderbüchern. Darüber hinaus lässt er sich mit anderen Disziplinen, wie z.B. Cultural Studies verknüpfen.

This study is based on the observation that multiperspectivity has become increasingly relevant in picturebooks since the late 20th century, particularly influenced by postmodernism. The study explores how multiperspectivity is integrated into picturebooks as an intermodal medium that combines text and images, the functions it fulfills, and the cognitive abilities and mechanisms needed to comprehend this phenomenon. Drawing on current approaches and research in narrative theory, this dissertation critically examines and discusses the concepts of "perspective", "perspective structure", and " multiperspectivity". It develops a typology of the forms for multiperspectivity in picturebooks, along with a model for describing perspective structure, to more accurately capture the complexity of the phenomenon in both discourse and syntax than previous studies have achieved. The dissertation also explores potential reception processes. By analyzing picturebooks within the framework of cognitive narratology and developmental psychology, it investigates the social-cognitive skills required to understand multiperspectivity in picturebooks. In this way, the dissertation expands existing cognitive-literary studies by incorporating the dimension of picturebook research. The methodology developed in this study offers conceptual tools for investigating narration and reception in picturebooks. It provides reference points for research on crossover picturebooks. Additionally, it can be connected to other disciplines, such as cultural studies.