Dissertation ist gesperrt bis 21.05.2023 !
Selbstreguliertes Lernen (SRL) ist eines der wichtigsten theoretischen Konzepte der Bildungsforschung. In Anbetracht aktueller Herausforderungen im Bildungsbereich, wie beispielweise den weit verbreiteten Einsatz von Informationstechnologie in Bildungskontexten, den größer werdenden Fokus Lerner zum lebenslangen Lernen zu befähigen oder dem zunehmenden Schwerpunkt auf Lerner gesteuerte Unterrichtsformate, wird darüber hinaus die zunehmende praktische Relevanz von SRL deutlich. Die Fähigkeit, Lernprozesse effektiv zu regulieren, ist eine Schlüsselfähigkeit für Lernende, um die oben genannten Herausforderungen zu bewältigen. Typischerweise wird SRL als die Regulation und Kontrolle von kognitiven, metakognitiven, motivationalen sowie affektiven Facetten des Lernens zur Erreichung von Lernzielen definiert. Basierend auf dieser breiten Definition haben eine Vielzahl von Forschungsvorhaben SRL aus verschiedenen theoretischen Hintergründen und Perspektiven untersucht. Dabei wurde gezeigt, dass SRL ein zentraler Erfolgsfaktor zur Erreichung von Lernerfolgen in allen Phasen und Bereichen der Bildung eines Individuums ist. Die Vielfalt der Ansätze zur Untersuchung von SRL hat jedoch auch zu Unklarheiten darüber geführt, was SRL ist und wie es am effektivsten gefördert werden kann. Diese Problematik wird noch deutlicher, wenn SRL im Kontext anderer, allgemeinerer Forschungstraditionen zur Selbstregulation (SR) untersucht wird. Die vorliegende Dissertation befasst sich mit dieser Problemstellung. Zu Erreichung dieses Ziels wurden vier Forschungsbereiche zu verschiedenen Aspekten der SR identifiziert und integriert. Diese umfassen Lernaktivitäten (z.B. kognitive und metakognitive Strategien), treibende Kräfte (z.B. Motivation und Affekt), persönliche Dispositionen (z.B. Persönlichkeit) und begrenzte Ressourcen (z.B. Arbeitsgedächtnis und exekutive Funktionen). Auf der Grundlage von starker empirischer Evidenz, die jeden dieser Bereiche eng mit Lernen und akademischen Leistungen verknüpft hat, wurde so ein integratives Rahmenmodell entwickelt, das SRL als Teil von SR in der Bildungskontexten betrachtet. Um dieses Modell empirisch zu testen, wurde in der vorliegenden Dissertation der Vorhersagewert von zentralen, repräsentativen Konstrukten für jeden der Bereiche des Rahmenmodells in verschiedenen Kontexten (z.B. Lernen in der Schule und Lernaufgaben im Labor) getestet. Durch diesen Ansatz ist diese Dissertation die erste
Studie, die die oben genannten Forschungstraditionen zur Selbstregulation im Bildungsbereich empirisch integriert.
Studie I hatte zum Ziel, die besten Prädiktoren für das Lernen in der Schule und für Laborlernaufgaben aus einem umfassenden Satz von selbstregulatorischen Konstrukten zu identifizieren, die die vier im Rahmenmodel postulierten Forschungsbereiche zur Selbstregulation widerspiegeln (Lernaktivitäten, treibende Kräfte, persönliche Dispositionen und begrenzte Ressourcen). Konkret wurden robuste Modelle des maschinellen Lernens verwendet, um die Leistung in der Schule und in Laborlernaufgaben in fünf akademischen Domänen (Mathematik, Physik, Biologie, Kunst und Geschichte) vorherzusagen. Die Ergebnisse zeigten, dass Prädiktoren aus allen Bereichen des vorgeschlagenen Frameworks erforderlich sind, um das Lernen in beiden Settings optimal vorherzusagen. Allerdings unterschieden sich die spezifischen Variablen, die das Lernen in Schul- und Laborlernaufgaben optimal vorhersagten. Während Maße für treibende Kräfte (z.B. Motivation) und begrenzte Ressourcen (z.B. Arbeitsgedächtniskapazität) das Lernen in beiden Settings vorhersagten, zeigten Prädiktoren, die Lernaktivitäten (z.B. Anstrengungs- vs. Wiederholungsstrategien) und Persönlichkeit (z.B. Offenheit) repräsentieren, nur für eines der Lernmaße einen prädiktiven Wert.
Studie II untersuchte, ob und wie sich die Anforderungen an die Selbstregulation bei einer computergestützten Lernaufgabe in Abhängigkeit von der Art der Interaktion der Teilnehmer mit der Lernumgebung unterscheiden. Im Detail nutzten die Teilnehmer entweder mausbasierte oder touchbasierte Interaktion, um mit den Lernmaterialien zu arbeiten. Robuste Modelle des maschinellen Lernens, wurden angewandt, um Lernergebnisse in beiden Bedingungen vorherzusagen. Dazu wurden, ähnlich wie in Studie I, Maße verwenden, die die vier Kernbereiche des vorgeschlagenen Rahmenmodells repräsentieren. Ergebnisse zeigten, dass die Selbstregulationserfordernisse beim Lernen mit Tablets höher waren. Insbesondere wurde das Lernen am Tablet über den Vorhersagewert des Vorwissens hinaus durch kritische Bewertung (Lernaktivität), motivationale Kosten (treibende Kraft), Offenheit (persönliche Disposition) und Task Switching (begrenzte Ressource) am besten vorhergesagt. Leistungsunterschiede bei mausbasierten Interaktionen hingen dagegen nur mit Kontrollmaßen (Leseverständnis und Vorwissen), nicht aber mit selbstregulatorischen Konstrukten zusammen.
Studie III erweiterte das Vorgehen der ersten beiden Studien um eine detaillierte, prozessorientierte Untersuchung eines Schlüsselbereichs des vorgeschlagenen Rahmenmodells. In dieser Studie wurde das emotionale Erleben von Lernen (treibende Kraft) und dessen zeitliche Entfaltung während einer Lernaktivität mit Lernen in Beziehung gesetzt. Ergebnisse zeigten, dass eine Gruppe von Lernenden mit primär negativen emotionalen Erfahrungen am wenigsten lernte. Darüber hinaus zeigten diese Lernenden eine Zunahme negativer Emotionalität während des Lernens, die prädiktiv für geringere Lernerfolge war. Zuletzt zeigten weiterführende Analysen, dass diese emotionalen Prozesse möglicherweise von stabilen persönlichen Dispositionen (Trait Emotionsregulation und Neurotizismus) verursacht werden.
Über alle Studien hinweg hat die vorliegende Dissertation gezeigt, das SR eine zugrundelende Struktur hat, die unabhängig von Kontext ist. Die spezifischen selbstregulatorischen Prozesse, die nötig sind, um optimale Lernergebnisse zu erzielen variieren jedoch nach Rahmenbedingungen (z.B. der Lernaufgabe und - umgebung). Durch diese Studien demonstriert diese Dissertation einen theoretisch abgeleitetes und empirisch gestütztes Rahmenmodell, welches selbstreguliertes Lernen in den größeren Kontext der Selbstregulation in Bildungskontexten setzt. Weitere Schritte für zukünftige Forschungsvorhaben zur Integration von Selbstregulation in Bildungskontexten werden im Kontext des vorgeschlagenen Rahmenmodells hergeleitet und diskutiert.