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Mit der hier vorgelegten Studie zur rechtsextremen Einstellung knüpfen
wir an unsere Erhebungen seit 2002 und an die „Mitte“-Studien an, die
seit 2006 im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung von uns durchgeführt
worden sind. Die inhaltliche Tradition dieser „Mitte“-Studien kommt
auch im Titel zum Ausdruck. „Die Mitte in der Krise“: eine doppeldeutige
Aussage. Denn die gesellschaftliche Mitte kann sich in Zeiten der Krise
oder selbst in der Krise befi nden. Beides wird mit dieser Formulierung
abge bildet.
Mit dem ersten Verständnis des Titels – die Mitte der Gesellschaft in Zeiten
einer Krise – ist nicht nur die allgemeine wirtschaftliche Situation in
der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise beschrieben, sondern es
sollen auch die Konsequenzen der Sozialstrukturveränderung in der
Bundesrepublik Deutschland seit Beginn der 1990er-Jahre mitgedacht
werden. Verschiedene Kennzahlen ließen sich heranziehen, um zu
beschreiben, wie stark sich seit der Wiedervereinigung nicht nur die
Gesellschaft in Ostdeutschland verändert hat, sondern wie sich das
Gesicht Deutschlands insgesamt gewandelt hat.
Der zweite Bedeutungsgehalt bezieht sich auf die Mitte der Gesellschaft,
die sich selbst in Folge der mit dem ersten Verständnis bezeichneten
Strukturveränderungen in einer krisenhaften Umbruchsituation befi ndet.
Wie reagiert sie auf diese Umbruchsituation, welche Veränderungen
lassen sich im politischen Selbstverständnis, insbesondere bei der Zustimmung
zu rechtsextremen und antidemokratischen Aussagen, in der
Mitte finden?
Beide Bedeutungen sind so wenig voneinander zu trennen, wie wir es mit
diesem verschränkten Titel ausdrücken. Und beide machen eine Einführung notwendig, die sich mit den angesprochenen grundlegenden
Aspekten beschäftigt. Denn der Zusammenhang von politischer Einstellung
und ökonomischer Entwicklung, sei sie nun krisenbehaftet oder
nicht, versteht sich nicht von selbst – auch wenn dieser Zusammenhang
offen zutage liegt. Nicht nur aktuelle Untersuchungen weisen in steter
Regelmäßigkeit auf den Zusammenhang von politischer Einstellung und
Ökonomie hin. Bereits mit der ersten Erschütterung nicht nur der Demokratie,
sondern bereits mit dem Zivilisationsbruch, für den Nazideutschland
steht, ist er benannt und untersucht worden. Was die demokratische
Gesellschaft bedroht, ist ihr selbst entsprungen. Als Entsprungenes führt
es ein Eigenleben. Die Bedrohung der Demokratie hat etwas mit dem
Fundament dieser Gesellschaft zu tun und hierauf das Augenmerk zu
legen, ist auch Ziel unserer Studien. Das gilt für die theoretischen Überlegungen,
die auf den folgenden Seiten vorgestellt werden sollen, wie für
die empirischen Befunde im Anschluss.
Die theoretische Erörterung ist nicht nur notwendig, weil sich das Phänomen
des Rechtsextremismus nicht von selbst versteht. Der Bezug zum
gesellschaftlichen Zentrum muss auch hergestellt werden, um die Ursachen
erfassen zu können. Das Forschungsfeld zum Rechtsextremismus ist
heterogen, sowohl was Erklärungsansätze als auch was Interventionsstrategien
anbelangt. Was aber noch viel mehr drängt und nun in die Auseinandersetzung
eingeführt werden soll, ist die Auskunft, die die Vielstimmigkeit
des Rechtsextremismusbegriffs selbst über das Phänomen
geben kann.
Ausgehend von den Ergebnissen unserer bisherigen „Mitte“-Studien skizzieren
wir das Problem und richten unseren Fokus auf die sozialpsychologischen
Bedingungen der politischen Einstellung überhaupt. Das ist
vornehmlich die Sozialisation: der mit der Kindheit beginnende, aber
nicht endende Prozess des Hineinwachsens in die Gesellschaft. Bereits
der Meilenstein der Forschung zur antidemokratischen Einstellung, die
Autoritätsstudien, die im Umfeld des exilierten Frankfurter Instituts für
Sozialforschung entstanden sind, benannten diese sozialpsychologischen Bedingungen. Diese Studien wurden in den dreißiger und vierziger Jahren
des letzten Jahrhunderts durchgeführt und mit ihrem Veralten wird
zugleich die Gültigkeit die Befunde deutlich.
Hieran schließt eine Erörterung an, was die „Mitte“ ist und wie ihr Verhältnis
zum „Rand“ zu bestimmen ist. Der „Mitte“-Begriff ist bisher von
uns deskriptiv behandelt worden und erfährt nun eine Einordnung in
den theoretischen Zusammenhang. Damit soll gleichzeitig an die einleitende
Diskussion des Rechtsextremismus-Begriffs angeschlossen werden,
um zu klären, warum über eine scheinbare Randerscheinung Auskunft
über die gesellschaftliche Mitte eingeholt werden kann. Zum
Abschluss der theoretischen Ausführungen werden die Befunde zur Prekarisierung
in Deutschland vorgestellt.
Auf den theoretischen Teil folgt die Darstellung der empirischen Befunde,
die sich in drei Abschnitte gliedert: Zunächst werden die Ergebnisse
der Erhebung 2010 und daran anschließend der Zeitverlauf seit 2002 präsentiert
und interpretiert. Danach wird die Lebenssituation in Deutschland
entlang von sozioökonomischen Parametern dargestellt und ihr
Zusammenhang mit der rechtsextremen Einstellung einer statistischen
Analyse unterzogen. Den Abschluss bilden Ausführungen über Elemente
antidemokratischer Einstellung, die von uns über den Rechtsextremismus-
Fragebogen hinausgehend untersucht worden sind. |
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