OLAF und die Europäisierung des Strafverfahrens

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URI: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-26914
http://hdl.handle.net/10900/43725
Dokumentart: PhDThesis
Date: 2006
Language: German
Faculty: 3 Juristische Fakultät
Department: Sonstige
Advisor: Vogel, Joachim
Day of Oral Examination: 2006-07-31
DDC Classifikation: 340 - Law
Keywords: Europäische Union / Kommission / Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung , Eurojust , Europol , Europäische Union / Europol-Übereinkommen
Other Keywords: OLAF , AFCOS , Anti-Fraud Coordination Service
European Anti-Fraud Office
License: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Ausgangspunkt für die vorliegende Arbeit ist die folgende Fragestellung: Inwiefern lassen sich Bezüge zwischen der Errichtung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) im Jahre 1999 und der Europäisierung des Strafverfahrens im Allgemeinen nachweisen? Die Arbeit hat diese Frage aus verschiedenen Perspektiven untersucht. Sie werden in den drei Teilen der Arbeit wieder gegeben: Zunächst gilt es, OLAFs gegenwärtige Rechtsgrundlagen und seine Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden in der Praxis auf strafverfahrensrechtliche Elemente zu untersuchen. Die Darstellung erfolgt aus der Sicht des deutschen Strafverfahrensrechts. Im zweiten Teil beschreibt der Text neuere Entwicklungen in der Zusammenarbeit OLAFs mit anderen Behörden, zum Einen horizontal auf EU-Ebene mit Europol und Eurojust, zum Anderen vertikal mit nationalen Behörden. Die Analyse widmet sich insbesondere den engen Beziehungen, die OLAF in Vorbereitung auf die EU-Erweiterung 2004 mit den Behörden der Kandidatenstaaten geknüpft hat. Schließlich werden mögliche künftige Konsequenzen der Schaffung OLAFs für die Europäisierung des Strafverfahrens beleuchtet. Dabei geht es vor allem um Auswirkungen im nationalen Strafverfahrensrecht der Mitgliedstaaten sowie um neuere Gesetzgebungsprojekte auf der Ebene der Gemeinschaft. Zu den wichtigsten Ergebnissen: * OLAF ist die einzige Gemeinschaftsbehörde, die - neben anderen Aufgaben - ausdrücklich für die Ermittlung von Straftaten zuständig ist. Allerdings untersucht OLAF außerdem Fälle von Unregelmäßigkeiten. Letzteres führt zu Überschneidungen mit anderen Gemeinschaftsdiensten mit Kontrollzuständigkeiten, namentlich mit manchen Generaldirektionen der Kommission, mit den internen Rechnungsprüfungsdiensten der Gemeinschaftsinstitutionen und mit dem Untersuchungs- und Disziplinaramt der Kommission (IDOC). Obwohl OLAF diesem Problem mit dem Abschluss von Verwaltungsvereinbarungen begegnet, wären klarstellende Regelungen in den Rechtsgrundlagen vorzugswürdig. * OLAFs Rolle als europäische Ermittlungsbehörde in Strafsachen de facto ist vor allem im Hinblick auf den Rechtsschutz der von OLAF-Untersuchungen betroffenen Personen nicht unproblematisch. Eine Analyse der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte zu OLAF-Untersuchungen zeigt, dass das Rechtsschutzsystem des EG-Vertrages nicht darauf zugeschnitten ist, Individualrechtsschutz gegenüber strafrechtlichen Ermittlungen - de facto wie de iure - zu bieten. Die dem Kartellverfahren zugeordneten Vorschriften des Art. 20 Abs. 4 S. 1 und 2 der Verordnung des Rates Nr. 1/2003 könnten als Modell dienen, um den Rechtsschutz bei OLAF-Untersuchungen zu verbessern. So könnten OLAFs Untersuchungshandlungen ab einer gewissen Eingriffstiefe durch förmliche Entscheidungen angeordnet werden. Gegen solche Entscheidungen wären Rechtsschutzmöglichkeiten durch die Gemeinschaftsgerichte vorzusehen. * Bis zu einem gewissen Grad arbeitet OLAF mit anderen Akteuren zusammen, die förmlich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit nach dem Unionsrecht zugeordnet sind. Die Kooperation mit Eurojust ist im Eurojust-Beschluss des Rates aus dem Jahr 2002 festgeschrieben. Mit Europol kooperiert OLAF auf der Basis einer Verwaltungsvereinbarung. Dennoch besteht die Gefahr, dass die drei Behörden wegen Überschneidungen bei der Zuständigkeit für den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft in der Praxis eher untereinander konkurrieren. Es erscheint zweifelhaft, ob in dieser Situation dem in Artikeln 29 und 47 EU-Vertrag niedergelegten Gebot, Gemeinschaftsrecht bleibe von Maßnahmen nach dem Unionsrecht unberührt, genügend Rechnung getragen wird. * Seit Beginn des Erweiterungsprozesses in Bezug auf Mittel- und Osteuropa hat die Gemeinschaft von den Kandidaten verlangt, in ihren Staaten je einen zentralen Kontaktpunkt für die Zusammenarbeit mit OLAF bereit zu stellen. Diese Kontaktpunkte koordinieren die Arbeit aller nationalen Behörden zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft. Insbesondere organisieren sie die konkrete Unterstützung für OLAF-Untersuchungen im betreffenden Staat. Im Gegensatz dazu berichtet die Kommission von Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit OLAFs mit manchen "alten" Mitgliedstaaten. Eine Verbesserung der Unterstützung für OLAF durch zentrale Kontaktpunkte entspricht der Zielvorgabe eines effektiven Schutzes der finanziellen Interessen der Gemeinschaft gemäß Artikel 280 Absatz 1 EG-Vertrag. Die Instrumente der Heranführungsstrategie definieren präzise die Aufgaben und Funktionen der Kontaktpunkte. Nach der Erweiterung 2004 blieb das System der Kontaktpunkte in den "neuen" Mitgliedstaaten erhalten. Es ist damit Teil des gemeinschaftlichen Besitzstandes geworden. Folglich sind die "alten" Mitgliedstaaten nach Artikel 10 EG-Vertrag verpflichtet, die Unterstützung für OLAF ebenfalls durch Benennung eines zentralen Ansprechpartners auf nationaler Ebene zu gewährleisten.

Abstract:

The present thesis attempts to answer the following question: To what extent has the creation of the European Anti-Fraud Office (OLAF) in 1999 had an impact on the europeanization of criminal law procedure in general? This question is examined from different angles, reflected in the three different parts of the study: Firstly, the text aims at tracing elements of criminal law procedure in OLAFs current legal basis and in its cooperation with national criminal law enforcement authorities. OLAFs role with regard to criminal law procedure in the Member States is described from the perspective of German criminal law procedure. Secondly, the thesis looks at more recent criminal-law related developments in OLAFs cooperation with other bodies, be it horizontal cooperation at EU level with Europol and Eurojust or vertical cooperation with national authorities. In particular, the text analyses the close relationship between OLAF and the national authorities of the candidate countries prior to the 2004 EU enlargement. Finally, the text discusses future consequences of OLAFs creation for the europeanization of criminal law procedure. The text examines the potential impact on Member States national law and on forthcoming EC legislation in particular. The main findings can be summarized as follows: * OLAF is the only Community body whose tasks include investigations concerning criminal offences. However, OLAFs mandate also covers investigations concerning irregularities. The same is true for several other Community bodies responsible for checks and controls, such as some Commission Directorates-General with management tasks, the internal audit services of the EC institutions and the Investigations and Disciplinary Office of the Commission. Although some administrative arrangements exist, overlaps have not been resolved to a satisfactory degree in the legal basis yet. * OLAFs role as a criminal investigative body de facto creates some difficulties, in particular as regards the possibilities for the persons concerned to bring legal proceedings in respect of OLAF investigations. An analysis of the jurisdiction of the Community courts shows that the current system had originally not been conceived in order to protect the rights of individuals under criminal investigations - be it de jure or de facto. However, article 20 paragraph 4 of Council Regulation (EC) No 1/2003 concerning the Commissions checks in the field of competition may serve as an example for enhancing the possibilities for judicial review of OLAF investigations: measures in OLAF investigations which compromise the rights of the person concerned to the same extent as coercive measures in criminal investigations could be ordered by a formal decision. The decision would be subject to judicial review by the Court of Justice. * To some extent OLAF cooperates with other bodies whose legal bases are anchored in police and judicial cooperation in criminal matters under the EU treaty. Cooperation between Eurojust and OLAF was laid down in the Council decision of 2002 to create Eurojust. Guidelines for cooperation between Europol and OLAF can be found in an administrative arrangement. Overlaps of competences between Europol, Eurojust and OLAF as regards the protection of the financial interests of the Community may nevertheless lead to competition among the three. It seems doubtful if the current situation is consistent with the rule that EU measures in the field of police and judicial cooperation in criminal matters have to be taken without prejudice to the Communitys powers. * Since the start of the accession process concerning the Eastern European countries, the Community has asked each candidate country to create a central national contact point for the cooperation with OLAF. These central contact points have a coordinating function as regards the national authorities activities concerning the protection of the financial interests of the Community. In particular, they organize the support national authorities have to provide in the case of an OLAF investigation in the respective country. By contrast, the Commission reports some difficulties as regards OLAFs cooperation with national authorities in the "old" Member States. The enhanced support for OLAF via central contact points is also consistent with the objective of effective protection of the Communitys financial interests in Art. 280 paragraph 1 EC treaty. The tasks and functions of the central contact points have been laid down in concrete terms in the legal instruments concerning the accession countries. After the 2004 EU enlargement, these provisions remained in place for the then new Member States and became part of the acquis communautaire. As a consequence, the "old" Member States are bound under Art. 10 EC treaty to provide central contact points to support OLAF investigations.

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