Inhaltszusammenfassung:
40% der neu diagnostizierten Epilepsien sind genetisch bedingt und betreffen die
Funktionalität von Ionenkanälen oder Ionentransportern. Kürzlich konnte die Arbeitsgruppe
von Prof. Dr. Lerche zeigen, dass sogenannte „gain of function“ (GOF) und
„loss of function“-Varianten (LOF) zu Veränderungen des KCNA2-Gens führen. Diese
Genveränderungen können entwicklungsbedingte epileptische Enzephalopathien verursachen.
Neue Therapieansätze werden derzeit erforscht. Ziel dieses Projektes war
die Untersuchung von morphologischen Effekten an primären neuronalen Zellen der
Maus durch die Gabe von selektiven Kv1.2-Kanalblockern, wie dem Skorpiongift
Tityustoxin (TsTx) und dem Meeresschneckengift Conotoxin km-RIIIJ, sowie dem
unspezifischen Kv1.2-Kanalblocker 4-Aminopyridin (4-AP). Experimentell wurden
CHO Zellen und primäre Mausneurone gentechnisch mit dem Kv1.2 Kanal (WT, GOFVariante) verändert und elektrophysiologisch und immunhistochemisch mit den oben
genannten Kaliumkanalblockern untersucht.
Vorbereitend zu den Experimenten an primären Mausneuronen, wurde die Spezifität
von TsTx und Conotoxin km-RIIIJ auf Kv1.2-Kanäle mittels Patch Clamp-Messungen
an Kv1.2 WT-transfizierten CHO Zellen bestätigt. Für die Analyse der akuten Toxinwirkung
von 10 bzw. 20 nM TsTx und 75 bzw. 150 nM Conotoxin km-RIIIJ wurden das
Ruhemembranpotential (RMP) und die Area under the Curve (AUC) der
aufgezeichneten Aktionspotentiale an kortikalen primären Neuronen der Maus mit
(Über-)Expression von Kv1.2 WT- bzw. R297Q-Kanälen (GOF) untersucht. Die
gepatchten Kv1.2 WT- bzw. R297Q-transfizierten hippokampalen bzw. transduzierten
kortikalen Neurone wurden immunhistochemisch gefärbt, rekonstruiert und die Anzahl
der Verzweigungen unter chronischer Toxingabe mittels Sholl Analyse untersucht.
Eine Kv1.2-Überexpression bzw. der Expression der R297Q-Variante führte zu einer
signifikant geringeren Anzahl neuronaler Verzweigungen sowie zu einer erhöhten
Zellmortalität. Sowohl die Anzahl der dendritischen Verzweigungen, als auch die
Viabilität der murinen Nervenzellen, konnte durch chronische Toxinbehandlung mit 10
nM TsTx sowie 150 nM Conotoxin km-RIIIJ zum Teil therapeutisch antagonisiert
werden.
Möglicherweise stellen Kv1.2-Blocker eine molekulare Grundlage für die
pharmazeutische Herstellung neuer Antiepileptika für Patienten mit entwicklungsbedingten
epileptischen Enzephalopathien aufgrund von Kv1.2-Varianten dar.