Inhaltszusammenfassung:
Das Multi-C2-Domänen-Protein Otoferlin spielt eine essentielle Rolle beim Hörprozess und der synaptischen Übertragung in den Inneren Haarsinneszellen. Eine Mutation innerhalb des OTOF-Gens, welches für Otoferlin codiert, führt beim Menschen zur nicht-syndromalen rezessiven Schwerhörigkeit DFNB9. Der Schweregrad der Schwerhörigkeit variiert in Abhängigkeit von der vorliegenden pathologischen OTOF-Variante und reicht von mäßigem Hörverlust bis hin zu hochgradiger Taubheit. Gegenwärtig besteht die therapeutische Intervention bei den ausgeprägten Krankheitsbildern von DFNB9 in der Insertion eines Cochlea-Implantates. Ein alternativer Therapieansatz, bei dem ein Gentransfer zum Einsatz kommt, um Patienten mit DFNB9 zu behandeln, könnte zu einer neuen Behandlungsmethode werden. Präklinische Studien, die an Mausmodellen durchgeführt wurden, konnten bereits zeigen, dass sich der Hörsinn mithilfe eines AAV-Gentransfers rehabilitieren lässt. Ebenfalls verzeichneten bereits mehrere Studien Erfolge hinsichtlich der klinischen Umsetzung der AAV-vermittelten Gentherapie am Menschen.
Da bislang der Fokus auf die unmittelbaren Erfolge eines gentherapeutischen Ansatzes bei DFNB9 gelegt worden ist, wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit die langfristigen Effekte eines gentherapeutischen Ansatzes zur Rehabilitation der Hörfunktion auf zellulärer Ebene an einem Mausmodell untersucht. Als Mausmodell wurden Otoferlin-Knock-out-Mäuse eingesetzt, die aufgrund der fehlenden Otoferlin-Expression hochgradig taub sind und eine gestörte synaptische Übertragung an den IHZ aufweisen. Der Gentransfer wurde postnatal mittels rekombinanter adeno-assoziierter Viren (AAV) vom Serotyp 2 mit Capsid-Proteinen des Serotyps Anc80L65 (AAV2/Anc80) durchgeführt. Die Untersuchung der Haarsinneszellen unter Anwendung immunhistochemischer Färbungen erfolgte in einem Alter von 9-10 Monaten. Insgesamt wurden 145 Cochleapräparate imunhistochemisch gefärbt und analysiert. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit legen nahe, dass nach einmalig postnatal durchgeführter Virustransduktion mit einer langfristigen Otoferlin-Persistenz in den IHZ zu rechnen ist. Zudem scheint das Vorhandensein von Otoferlin in den IHZ einen Beitrag zum Erhalt der synaptischen Verbindungen zwischen IHZ und SGN zu leisten. Die Anwesenheit von Otoferlin scheint auch langfristig den Erhalt der Äußeren und Inneren Haarsinneszellen zu sichern. Degenerative Auswirkungen auf die Haarsinneszellen und die Synapsen konnten nicht festgestellt werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die untersuchten langfristigen Auswirkungen bei AAV-transduzierten Otoferlin-Knock-Out-Mäusen vielversprechende Ergebnisse hinsichtlich der angestrebten Therapieoption einer AAV-vermittelten Gentherapie bei DFNB9-Patienten liefern. Es sei jedoch angemerkt, dass weitere umfassende präklinische und klinische Studien erforderlich sind, um die AAV-vermittelte Gentherapie bei DFNB9-Patienten zu optimieren und zu etablieren.