Inhaltszusammenfassung:
Einführung: Die Computerspielstörung und Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung als Teilbereich der Internetnutzungsstörung haben einen Leidensdruck für betroffene Jugendlichen und deren Eltern zur Folge. Da Familienfaktoren (z. B. die Eltern-Kind-Beziehung) beim kindlichen Suchtverhalten relevant sind, wurde ein Training entwickelt, welches Eltern von Jugendlichen mit problematischer Internetnutzung adressiert. In sechs Einheiten wurde Psychoedukation betrieben sowie Kommunikation, Erziehung und Stressreduktion thematisiert.
Fragestellung: Wie hilfreich erleben Eltern von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit von den Eltern als problematisch erlebter Nutzung von Computerspielen und bzw. oder Sozialen Medien das ISES! Gruppentraining in Bezug auf die eigene psychische Belastung, die Eltern-Kind-Beziehung und die erlebte Internetnutzungsstörungssymptomatik ihrer Kinder?
Material und Methoden: Zur Erörterung der Fragestellung wurde eine multizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie mit Wartegruppendesign durchgeführt. Als Fragebögen wurden die DASS 21, das EKI, der EBF-E, der CIUS-P und der CSAS-FE verwendet. An den Standorten Heidelberg, Frankfurt a. M. und Tübingen nahmen insgesamt 59 Eltern von Jugendlichen (Alter 12-20) mit aus Elternsicht auffälliger Internetnutzung teil.
Ergebnisse: Eltern gefährdeter oder pathologischer Gamerinnen und Gamer hatten höhere mittlere Stresswerte. Nur die Subgruppe der Väter zeigte einen signifikanten Mittelwert-Anstieg des DASS-Gesamtwerts und der Subskala Depression. Die Eltern fühlten sich nach der Intervention signifikant geringer durch die kindliche Internetnutzung gestört. Im EKI wurde der Anstieg der Mittelwerte für die kindliche Echtheit für die Mütter sowie im EBF-E die emotionale Vereinnahmung für die Mütter und die gemischte Elternstichprobe signifikant. Die Werte für Streithäufigkeit verringerten sich in der Interventionsgruppe für die Gesamtelterngruppe und die Mütter. Der mittlere Gesamtwert für die CIUS-P sank signifikant in der Interventionsgruppe. In der CSAS-FE zeigten sich signifikant niedrige Mittelwerte nur in der Subgruppe der Risikonutzerinnen und -nutzer.
Diskussion: Der Anstieg des Gesamt- sowie des Depressionsscores der Väter zeigt eventuell, dass die vermehrte Auseinandersetzung mit dem Thema die Väter zum Reflektieren anregte, wohingegen die Mütter bereits im Alltag mit der Problematik mehr konfrontiert sein könnten. Dass beide Elternteile berichteten, sich durch die Internutzung des Kindes weniger gestört zu fühlten, kann als Entlastung gesehen werden. Die Mutter-Kind-Beziehung kann als verbessert angesehen werden, da Mütter ihr Kind als authentischer erlebten und eine vermehrte Offenheit gegenüber ihren Sorgen verspürten. Warum sich die Streithäufigkeit nur in den Angaben der Mütter verringert, ist unklar. Studien legen nahe, dass Mütter und Väter unterschiedliche Rollen beim Einfluss auf die Internetnutzungsstörung einnehmen. In der Interventionsgruppe ließ sich die erlebte Schwere der Internetnutzungsstörung reduzieren. Durch die Reduktion der Computerspielstörung nur in der Gruppe des Risikokonsums (zwei bis vier Diagnosekriterien erfüllt), eignet sich das Training eher als Präventionsprogramm, weniger als Interventionsprogramm. Neben der Stärke einer randomisierten kontrollierten Studie ohne Drop-Out sind als Limitationen der geringe Anteil an Eltern mit betroffenen Mädchen, die überwiegend europäische Stichprobe aus einer Schicht hoher Bildung und die fehlende Abfrage der Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung zu nennen. Desweiteren beruhen alle Messungen auf der Elternsicht. Perspektivisch steht die Auswertung der Follow-Up-Daten und die Veröffentlichung des Manuals aus, sowie die Erprobung eines Online-Trainings.
Schlussfolgerung: Generell ist festzustellen, dass das ISES! Gruppentraining helfen kann, die Symptome einer jugendlichen Internetnutzungsstörung und beginnender Computerspielstörung aus Sicht der Eltern zu reduzieren, die mütterliche Beziehung zum Kind zu stärken und Familienkonflikte zu verringern sowie zu einer Veränderungsmotivation mit unklarer Behandlungsbereitschaft führen kann. Das Training kann in dieser Form in der Praxis erprobt werden. Die geplante Anpassung beschränkt sich auf die zielgruppenspezifische Modifikation einzelner Elemente. Für eine finale Aussage sollten die Follow-Up-Daten beachtet werden.