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Der Nucleus suprachiasmaticus (SCN) steuert unsere innere (zirkadiane) Rhythmik und damit viele physiologische Prozesse wie den Schlaf-Wach-Rhythmus und die Produktion verschiedener Hormone, darunter Melatonin und Cortisol (Reppert and Weaver, 2002, Lewy et al., 1980). Die Synchronisation des SCN mit dem natürlichen Hell-Dunkel-Rhythmus erfolgt über den wichtigsten „Zeitgeber“, das Licht. Diese Information wird durch die intrinsisch photosensitiven retinalen Ganglienzellen der Retina (ipRGCs) an den SCN übertragen (Daan and Pittendrigh, 1976, Duffy and Czeisler, 2009, Berson et al., 2002). Das spektrale Maximum der ipRGCs liegt im blauwelligen Bereich (Pilorz et al., 2016, Lucas et al., 2001). Cortisol und Melatonin fungieren als eine Art „Gegenspieler“ in der Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus (Arendt, 2000, Chapotot et al., 1998). Störungen der zirkadianen Rhythmik werden mit Erkrankungen wie Depressionen, kardiovaskulären Störungen und weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Verbindung gebracht (Maywood et al., 2006, Riemann et al., 2002, Hoevenaar-Blom et al., 2011, Baglioni et al., 2016). Der Brain-derived neurotrophic factor (BDNF) spielt eine wichtige Rolle bei der Langzeitpotenzierung des Gedächtnisses (Egan et al., 2003, Korte et al., 1998, Figurov et al., 1996, Xu et al., 2000) und wirkt unterstützend auf Lernprozesse und gesunde Alterungsprozesse (Weinstein et al., 2014). Hingegen zeigt er bei stressbedingten Erkrankungen und Demenzen Veränderungen in seiner Konzentration und gilt als Plastizitätsmodulator (Sánchez-García et al., 2022, Soavi et al., 2016). Das wachsende Verständnis der zirkadianen Rhythmik hat die Forschung zur Entwicklung neuer Beleuchtungskonzepte angeregt. Hohe Beleuchtungsstärken aber auch blauwelliges Licht am Morgen können positive Effekte auf demenzielle Entwicklungen, Depressionen und weitere psychische Störungen haben (Hashimoto et al., 1997, Rosenthal et al., 1984, Wright et al., 2013). Melatonin ist bereits als Biomarker etabliert, um die Auswirkungen von Beleuchtung auf die zirkadiane Rhythmik darzustellen (Van Cauter et al., 1994, Park and Tokura, 1999).
In der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluss dynamischer und spektralmodifizierter Beleuchtung auf die Biomarker Melatonin, Cortisol und BDNF untersucht. Zu diesem Zweck wurde in zwei Seniorenheimen eine Beleuchtung installiert, die den natürlichen Tageslichtverlauf simulieren sollte. Die Blauanteile und Beleuchtungsstärken wurden über den Tag angepasst: am Morgen wurden 1500 Lux mit einem Blaulichtpeak um 10 Uhr erreicht, am Abend reduzierte sich die Beleuchtung auf 480 Lux. Die Studienpopulation bestand aus Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen der Pflegeheime. Es erfolgte die Dichotomisierung in die Studienarme DYN (dynamisches Licht) und LAU („light as usual“, Kontrollgruppe). Nach einer Baseline-Messung (Visite 5) folgten drei weitere Visiten von November bis Februar, in denen Melatonin (Speichel) und BDNF (Serum) mittels ELISA-Analyse bestimmt wurden. Am Ende der Studie wurde Cortisol über Haarproben analysiert, um die Cortisolwerte des Studienzeitraums zu erfassen. Zusätzlich wurden der Chronotyp nach dem D-MEQ, der BDNF-SNP sowie das PER3-VNTR-Genotyp ermittelt, um intrinsische Faktoren zu identifizieren, welche die Wirkung der Studienbeleuchtung beeinflussen könnten.
In der vorliegenden Arbeit konnte kein Einfluss der Studienbeleuchtung auf die Melatonin- sowie Cortisolwerte der Proband*innen nachgewiesen werden. Weder der PER3-Chronotyp noch der Chronotyp nach D-MEQ hatten einen Einfluss auf die Cortisol- oder Melatoninwerte unter der Studienbeleuchtung. Es zeigte sich ein signifikant höherer Anstieg des Melatoninwerts der Mitarbeiter*innen von 20-23 Uhr im Vergleich zu den Bewohner*innen (p=0,031) an der Baseline. Für den BDNF-Spiegel ergaben die Analysen mittels linear gemischten Modells einen negativen Einfluss der Visiten auf beide Studienarme (LAU*Visite 8: p = 0,049; DYN*Visite 8: p = 0,007). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Rückgang der BDNF-Werte eher durch die Durchführung der Studie selbst (z. B. Anwesenheit der Forschenden oder andere störende Faktoren) und nicht durch die Studienbeleuchtung beeinflusst wurde. Weder BDNF noch Cortisol scheinen daher geeignete Biomarker für die Untersuchung des Lichteinflusses auf die zirkadiane Rhythmik in dieser Studie zu sein. Obwohl mehrere frühere Studien einen positiven Effekt dynamischer Beleuchtung auf die Melatoninausschüttung nachgewiesen haben, konnte Melatonin in der vorliegenden Arbeit ebenfalls nicht als passender Biomarker für die Wirkung der Studienbeleuchtung bestätigt werden. Möglicherweise beeinträchtigt das offene Feldstudiendesign die Ergebnisse. Diese Ergebnisse legen nahe, dass das gewählte Studiendesign und die Beleuchtungseinstellungen möglicherweise nicht ausreichten, um signifikante Effekte auf die untersuchten Biomarker zu zeigen. Weitere Studien mit optimierten Versuchsbedingungen und modifizierten Beleuchtungseinstellungen sind erforderlich, um die Wirkung spektralmodulierter Beleuchtung auf Melatonin, Cortisol und BDNF weiter zu untersuchen und geeignete Biomarker zu identifizieren. |
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