Inhaltszusammenfassung:
Das PSD ist ein ernstzunehmendes Krankheitsbild, das zu Bewusstseins- und Aufmerksamkeitsstörungen in Kombination mit kognitiven Veränderungen, wie Desorientierung oder Gedächtnisverlust führen kann (American-Psychiatric-Association, 2013). Als akute neuropsychiatrische Komplikation betrifft es bis zu 48 % der Schlaganfallpatienten und geht mit einer verschlechterten Prognose sowie längeren Krankenhausaufenthalten und weiteren medizinischen Komplikationen einher (Klimiec et al., 2016, Gustafson et al., 1991, Sheng et al., 2006, McManus et al., 2007, McManus et al., 2009, Mansutti et al., 2019, Kotfis et al., 2019a, Shi et al., 2012). Der genaue Pathomechanismus des PSD ist noch nicht vollständig verstanden, aber es wird diskutiert, dass ein Zusammenbruch der effektiven Konnektivität zwischen verschiedenen Hirnregionen eine Rolle spielen könnte (van Dellen et al., 2014, Xia et al., 2019, Inouye and Charpentier, 1996). Aufgrund dieser bereits erworbenen Kenntnis bezüglich des PSD, stellt sich in dieser Dissertation die Frage, ob eine innerhalb von 48 Stunden nach Beginn erster Schlaganfallsymptome durchgeführte TMS-EEG-Untersuchung einen prädiktiven Wert für die Vorhersage des Delirrisikos hat. Dafür wurde akuten Schlaganfallpatienten unmittelbar nach Aufnahme auf die Stroke-Unit ein Ruhe-EEG geschrieben, sowie eine transkranielle Magnetstimulation, simultan zu einer EEG-Aufzeichnung, an drei festgelegten Stimulationszielen durchgeführt. Mithilfe dieser Untersuchungsmethode sollten neurologische Veränderungen bereits vor der Entstehung eines Delirs erkannt werden, um folglich präventiv oder mit möglichst frühzeitiger Therapie zu beginnen. Analysiert wurden neuronavigierte, durch transkranielle Magnetstimulation entstandenen EEG-Daten, wobei es sich um eine etablierte Untersuchungsmethode in den Neurowissenschaften handelt (Siebner & Ziemann, 2007). In unserer Studie haben 14 von 33 Probanden im Zeitraum von 8- 156 Stunden nach der TMS-EEG-Messung ein PSD entwickelten, während 19 Probanden dies nicht taten. Im Vergleich zu der Nicht-PSD-Gruppe waren in der PSD-Gruppe im Ruhe-EEG höhere Leistungen in niedrigeren Frequenzbändern (höhere Deltaleistungen, 1- 4 Hz) sowie niedrigere Leistungen in höheren Frequenzen (niedrigere Betaleistungen, 13- 30 Hz) aufgefallen und bei Betrachtung der TEPs nach TMS wurden neben abnormen TEP-Morphologien, kortikale Antworten mit stark verminderter Intensität sowohl in den stimulierten als auch in weiter entfernten kortikalen Hirnregionen festgestellt. Neben der verminderten kortikalen Reaktivität war nach TMS ebenfalls die effektive Konnektivität sowie die Eigenfrequenzen in der PSD-Gruppe signifikant verringert. Vor allem der maximale PCIst-Wert über allen drei Stimulationszielen, ein Indikator für das Bewusstsein, zeigte eine hohe Klassifizierungsgenauigkeit zwischen der PSD und der Nicht-PSD-Gruppe. Die Läsionsgröße und auch die Schlaganfallschwere zeigten z.T. eine umgekehrte Korrelation mit den PCIst-Werten, konnten aber lediglich als Kovariate für die Vorhersage eines PSD herangezogen werden. Gleiches galt für die betroffene Hemisphäre, die allein keinen signifikanten Prädiktor für das PSD darstellte (Bai et al., 2022). Unter Berücksichtigung der wenigen bisher durchgeführten Studien in der Delirforschung, sind wir die erste Studie, die belegen konnte, dass vor allem der maximale PCIst-Wert für die Prädiktion des PSD verwendet werden kann (Bai et al., 2022). Andere unserer erlangten Ergebnisse stehen im Einklang mit Ergebnissen früherer Studien, darunter unter anderem höhere Deltaleistungen im Ruhe-EEG deliranter Probanden (van Dellen et al., 2014) sowie verminderte Eigenfrequenzen subakuter Schlaganfallpatienten nach TMS (Tscherpel et al., 2020). In früheren Studien konnten ebenfalls abnehmende effektive Konnektivitäten und abnorme TEPs festgestellt werden, nicht bei deliranten Patienten, aber im Rahmen schwerer psychiatrischer bzw. neurologischer Störungen oder bei Zustandsänderungen, wie dem Übergangszustand zwischen Wachheit und Schlaf (Tremblay et al., 2019, Massimini et al., 2005). Abschließend lässt sich sagen, dass unsere Studie unseres Wissens zum ersten Mal zeigt, dass das mobile TMS-EEG in Akutsituationen durchführbar ist und zur Vorhersage der Auftretenswahrscheinlichkeit eines PSD verwendet werden kann. Die kortikale Reaktivität des Gehirns auf TMS-EEG kann Zustände reduzierter Erregbarkeit, effektiver Konnektivität, PCIst und Eigenfrequenz aufdecken, die bei akuten Schlaganfallpatienten mit hohem Risiko für die Entwicklung eines Delirs korrelieren. Allgemein betrachtet ist das TMS-EEG eine potenziell nützliche Technik, um neurophysiologische Netzwerkveränderungen zu detektieren (Casula et al., 2021, Gray et al., 2017, Pellicciari et al., 2018, Tscherpel et al., 2020). Trotzdem weist unsere Studie Einschränkungen, wie eine geringe Stichprobenzahl auf, die eine Schlussfolgerung für alle akuten Schlaganfallpatienten verhindert. Wir erhoffen uns, dass zukünftige Studien mit größerer Stichprobengroße durchgeführt werden, um unsere Ergebnisse zu validieren und auf die breite Masse zu übertragen.