Inhaltszusammenfassung:
Die Einflüsse oraler Kontrazeptiva auf verschiedenste Bereiche menschlicher Fähigkeiten sind in der wissenschaftlichen Forschung von aktuellem Interesse. In der vorliegenden Arbeit wurde erstmalig untersucht, welchen Einfluss verschiedene Gestagene (androgen oder antiandrogen) auf die emotionale Aufmerksamkeit und auf die Stimmung bei Frauen haben. In diesem Kontext wurde außerdem der Einfluss des Chemosignals Androstadienon (AND) untersucht.
Insgesamt 27 Frauen, die orale Kontrazeptiva mit entweder androgenem oder antiandrogenem Gestagen einnahmen, wurden hinsichtlich ihrer visuell-räumlichen Aufmerksamkeit und der Interferenzkontrolle untersucht. Unter placebokontrollierter Gabe von AND wurde mittels Fragebögen und Tests die Beeinflussbarkeit der Stimmung und der emotionalen Aufmerksamkeit an zwei aufeinanderfolgenden Tagen untersucht.
Für die visuell-räumliche Aufmerksamkeit, untersucht durch eine Dot-Probe-Aufgabe, lag der Fokus auf der Ablenkbarkeit durch emotionale Reize, auf der Aufmerksamkeits-lenkung nach inkongruentem, emotionalem Stimulus und der Lenkung auf emotionale Reize. Es zeigte sich eine Ablenkbarkeit durch bedrohliche Reize und eine Interaktion von AND mit der Gruppe. Nach AND-Exposition zeigte die antiandrogene Gruppe eine stärkere Ablenkbarkeit durch emotionale Reize als die androgene Gruppe. Weiterhin ergab sich unter androgenem Gestagen eine tendenziell geringere Lenkung auf emotio-nale Reize (Orientierungsreaktion) als unter antiandrogenem Gestagen, wenn diese unter AND-Einfluss standen. Hypothesenbezogen wurde in der vorliegenden Arbeit keine Bestätigung einer verstärkten Lenkung auf emotionale Reize unter fallenden Östradiol-Werten gefunden.
Bei der Interferenzkontrolle, welche durch eine emotionale Stroop-Aufgabe getestet wurde, gab es im Hinblick auf die Reaktionszeiten keinen Unterschied zwischen den Gruppen. Es konnte allerdings ein starker Kongruenz- und Emotionseffekt im Sinne einer Lenkung auf bedrohliche Reize (Angst) nachgewiesen werden. Darüber hinaus fand sich bei der Fehlerrate ebenfalls ein signifikanter Kongruenz- und Emotionseffekt. Es konnte hier ein Zusammenhang der Gestagen-Komponenten mit der Kongruenz gezeigt werden, so dass beide Gruppen mehr Fehler unter inkongruenten im Vergleich zu kongruenten Bedingungen machten, wobei dieser Unterschied etwas stärker für die androgene Gruppe war. Die Annahme, dass es zu langsameren Reaktionszeiten bei ängstlicheren Gesichtern mit steigenden Testosteron-Werten kommt, konnte nicht bestätigt werden.
Generell konnte in dieser Arbeit kein Einfluss von AND auf die Interferenzkontrolle als auch auf die visuell-räumliche Aufmerksamkeit nachgewiesen werden.
Hinsichtlich der Stimmung fand sich kein Unterschied zwischen den Gestagen-Gruppen. Entgegen den Erwartungen zeigte sich, dass es unter AND-Einfluss zu einer Verschlechterung der Stimmung (Zunahme negativer Affekt) kam. Progesteron und Östradiol korrelierten nicht mit der Stimmung.
Zusammenfassend konnte durch diese Studie bis auf eine Verschlechterung der Stimmung kein Einfluss von AND auf die emotionale Aufmerksamkeit nachgewiesen werden. Unter AND-Einfluss zeigte sich allerdings, dass sich die antiandrogene Gruppe stärker durch emotionale Reize ablenken lies als die androgene Gruppe. Die antiandrogene Gruppe machte in der Stroop-Aufgabe bei inkongruenten Bedingungen etwas weniger Fehler als die androgene Gruppe. Es konnte tendenziell eine schwächere Orientierungsreaktion für die androgene Gruppe festgestellt werden. Bezüglich der Stimmung konnte kein Gruppenunterschied nachgewiesen werden. Die vorliegende Arbeit kann als Grundlage dafür dienen, die Auswirkungen der verschiedenen Gestagene (androgen/antiandrogen) bezüglich kognitiver Fähigkeiten weiter zu untersuchen. In der bisherigen Literatur finden sich bereits Ansätze dazu, dass verschiedene Gestagene mehr Auswirkungen auf die Aufmerksamkeit und die Stimmung und somit auch auf die soziale Interaktion haben können als bisher angenommen.