Inhaltszusammenfassung:
Endometriose ist ein häufiges gynäkologisches Krankheitsbild welches insbesondere Frauen im gebärfähigen Alter betrifft. Es handelt sich um eine benigne Erkrankung die durch Endometrium-ähnliches Gewebe außerhalb des Cavum uteri definiert ist. Die tiefinfiltrierende Endometriose (TIE) stellt hierbei eine Sonderform dar, bei der das ektope Endometrium infiltratives Wachstum aufweist. Die möglichen Symptome sind vielfältig und bedingen oft einen ausgeprägten Leidensdruck. Zu den Leitsymptomen der Endometriose zählen chronische Schmerzen wie Dysmenorrhoe und Dyspareunie sowie eine eingeschränkte Fertilität. Aufgrund des infiltrativen Wachstums kann die TIE Organe in ihrer Funktionalität einschränken und beispielsweise zu einer Hydronephrose führen. Aufgrund unspezifischer Symptome ist eine Latenzzeit zwischen ersten Anzeichen und Diagnosestellung häufig. Neben Anamnese und klinischer Untersuchung stellt der transvaginale Ultraschall (TVUS) ein zentrales Element der Diagnostik einer TIE dar, als Goldstandard gilt die histologische Diagnosesicherung. Die Pathogenese der Endometriose ist nicht abschließend geklärt; eine kausale Therapie ist nicht möglich und eine symptomorientierte Therapie ist folglich die Regel. Zum Spektrum möglicher Therapiekonzepte gehören eine operative Endometrioseresektion, hormonelle Therapieansätze, eine adäquate Analgesie und reproduktionsmedizinische Maßnahmen.
Eine Betrachtung verschiedener Endometriosetypen als eigene Entitäten ist noch nicht etabliert, wird jedoch diskutiert. Diese Arbeit dient der Beschreibung eines 394 Patientinnen umfassenden Kollektivs von an einer TIE erkrankten und zwischen 2005 und 2015 am Endometriosezentrum der UFK Tübingen diesbezüglich operierten Patientinnen. Im Zuge einer retrospektiven Datenrecherche wurde das Kollektiv erstellt und im Rahmen dieser Dissertation wurden insbesondere Daten aus der klinischen Anamnese und präoperativen Untersuchungen aufgearbeitet. Die Repräsentativität des Studienkollektivs im Vergleich zu aktueller Literatur wurde diskutiert und es erfolgte eine Evaluation, ob Ergebnisse dieser Arbeit eine Betrachtung der TIE als eigene Entität stützen.
Eine typische Patientin mit TIE scheint etwas älter zu sein als andere Endometriosepatientinnen, der BMI ist womöglich etwas geringer. Entgegen anderer Arbeiten konnte das Alter bei Menarche nicht als Risikofaktor für eine Endometriose nachgewiesen werden, dafür fiel eine besondere Häufung von Schilddrüsenerkrankungen und Voroperationen auf. Die eindrückliche Symptomatik und organische Beeinträchtigung, welche die TIE im Vergleich zu anderen Endometrioseformen mit sich bringen kann, wird in dieser Arbeit ausgesprochen deutlich: Neben chronische Unterbauchschmerzen und Dysmenorrhoe fällt das Auftreten einer Dyspareunie bei nahezu jeder zweiten Patientin ins Auge. Ebenso sind eine Hämatochezie, eine Hämaturie oder eine Hydronephrose als möglicher Ausdruck eines Organbefalls keine Seltenheit. Auch die Einschränkungen der Fertilität übertreffen die Angaben anderer Autoren zu Patientinnen mit Endometriose maßgeblich. Betrachtet man die Häufigkeit von Aborten und Schnittentbindungen könnte es sich bei einer TIE um einen relevanten geburtshilflichen Risikofaktor handeln. Bezüglich der präoperativen Diagnostik konnten die Einschränkungen der klinischen Untersuchung und die Bedeutung des TVUS und der MRT in der Diagnosestellung einer TIE bestätigt werden, jedoch nicht im gleichen Maße wie von anderen Autoren. Es wurde bei einem hohen Anteil des Kollektivs präoperativ eine diagnostische LSK und eine Koloskopie durchgeführt, diese invasive Diagnostik wird zugunsten bildgebender Verfahren mittlerweile seltener.
Insgesamt ist das Kollektiv repräsentativ, hochwertige Forschungsarbeiten verschiedener Autoren kommen in vielen Bereichen zu ähnlichen Ergebnissen – teils bezogen auf Endometriose, teilweise bezogen auf Patientinnen mit TIE. In einigen Bereichen der Arbeit finden sich Hinweise, welche die Betrachtung einer TIE als eigene Entität stützen. Eine stets gemeinsame Betrachtung der verschiedenen Entitäten könnte in diesem Fall wichtige Erkenntnisse verschleiern. Um diesbezüglich eindeutige Aussagen treffen zu können sind jedoch weitere Arbeiten erforderlich. Hierfür wäre die Etablierung einer möglichst objektiven und eindeutigen Definition und Differenzierung der verschiedenen Endometrioseentitäten sinnvoll. Der Forschungsbedarf im Bereich der Endometriose bleibt immens.