Inhaltszusammenfassung:
Das kutane Plattenepithelkarzinom, der zweithäufigste Hauttumor bei Menschen mit heller Haut, hat in Deutschland in den letzten 30 Jahren seine Inzidenz vervierfacht. Aufgrund der Haupt-Risikofaktoren kumulative UV-Strahlung, Alter und Immunsuppression sind vor allem ältere Bevölkerungs-gruppen betroffen. Während die meisten dieser Karzinome früh erkannt und lokal behandelt werden können, stellen fortgeschrittene Fälle größere Heraus-forderungen dar und erfordern oft eine Systemtherapie.
In dieser Studie wurden 195 Patienten analysiert, die von 2011 bis 2018 an der Universitäts-Hautklinik Tübingen mit fortgeschrittenem kutanen Plattenepithel-karzinom behandelt wurden. Die Daten wurden aus Tumorkonferenzprotokollen, Patientenakten und Anfragen bei Behörden und Ärzten gesammelt. Die Nachbeobachtungszeit entsprach der Zeit zwischen Diagnose und letztem Kontakt oder Tod. Überlebenszeiten wurden mittels Kaplan-Meier-Kurven ana-lysiert, wobei für das Gesamtüberleben alle Todesursachen berücksichtigt und statistische Vergleiche mit dem Log-Rank-Test durchgeführt wurden.
Die Arbeit zeigt ein typisches Profil für Patienten mit fortgeschrittenem PEK, einschließlich hohem Altersdurchschnitt, Geschlechterverteilung, Tumorcha-rakteristika und Metastasierungsmuster. Das Kollektiv besteht mehrheitlich aus Männern (72,3%). Das mediane Alter der Patienten lag bei 80 Jahren zum Zeitpunkt der Diagnose des acSCC. Eine Minderheit von 23,6% (n = 46) der Patienten war immunsupprimiert, meist auf hämatologische oder onkologische Erkrankungen zurückzuführen (60,9%).
Die Primärtumorlokalisation lag mehrheitlich (62,6%) im Gesichtsbereich. Die Tumordicke betrug im Median 6 mm (IQR = [4, 9]) und lag bei 33,8% der Patien-ten bei > 6 mm. Primärläsionen waren bei 17,9% der Patienten desmoplas-tisch. Überdies zeigten 7,2% eine perineurale Invasion. Operabel waren fast Dreiviertel (74,4%) der Primärläsionen. Bei 39,5% der Patienten war das fort-geschrittene Plattenepithelkarzinom ein Rezidiv der Primärläsion. Lymphkno-tenmetastasen hatten fast Zweidrittel (65,6%) der Patienten, Fernmetastasen 16,4%, wobei in diesen Fällen die Lunge am häufigsten (46,9%) betroffen war.
Im Verlauf der Erkrankung wurden insgesamt 29,2% der Patienten (n = 57) mit Systemtherapie behandelt. Die Erstbehandlung mit systemischer Therapie er-folgte meist (42,1%; n = 24) durch Chemotherapie, gegebenenfalls ergänzt durch lokale Therapien (Radiotherapie, Chirurgie). Eine Monotherapie mit Cetuximab sowie eine Kombination mit Chemotherapie wurde jeweils bei 21,1% (jeweils n = 12) der Patienten durchgeführt. Hingegen erhielten 15,8% (n = 9) dieser Patienten Immuntherapie als Erstbehandlung. Systemtherapien zeigten ein verbessertes Überleben als Radiotherapie (p = 0,083). Patienten, die eine Immuntherapie erhielten, hatten die vielversprechendsten Überle-bensdaten: nach einem Jahr eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 84% (95% KI: 67,5 – 100) und nach zwei Jahren von 75,7% (95% KI: 54,1 – 96,9). Die mediane Überlebenszeit wurde noch nicht erreicht. Bei den restlichen Pa-tienten (138 Patienten ohne Systemtherapie) zeigte die Versorgung durch wei-tere Chirurgie sowie gegebenenfalls ergänzt durch Bestrahlung ein verbesser-tes Überleben mit einem mOS von 59 Monaten (95% KI: 19,6 – 98,4).
Die Überlebensanalysen bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 21 Monaten (IQR= [10, 21]) zeigten, dass das Alter (p = 0,003), die Tumordicke (p = 0,02), die Operabilität des Primärtumors (p < 0,001) und vorhandene Fernme-tastasen (p = 0,05) einen statistisch signifikanten Einfluss auf das Überleben haben. Besonders die Operabilität des Tumors ergab einen erheblichen Über-lebensvorteil: Es konnte ein medianes Überleben von 59 Monaten erreicht werden, welches bei inoperablen Tumoren bei nur 19 Monaten lag. Eine Im-muntherapie zeigte im Vergleich zur Systemtherapie mit Cetuximab und/oder einer Chemotherapie ein signifikant besseres Gesamtüberleben (p = 0,034). Die mediane Gesamtüberlebenszeit des Patientenkollektivs betrug 42 Monate (95% KI: 22,8 – 61,2), die Ein-Jahres-Überlebensrate betrug 72,9% (95% KI: 66 – 79,8), nach zwei Jahren 58,2% (95% KI: 49,6 – 66,8) und nach fünf Jahren 39,1% (95% KI: 20 – 58,1). Das mediane tumorspezifische Überleben wurde hingegen noch nicht erreicht. Das Ein-Jahres-Überleben lag bei 88,1% (95% KI: 82,6 – 93,6), das Zwei-Jahres-Überleben bei 81,8 % (95% KI: 74,5 – 89,1) und damit deutlich höher als bei der Gesamtüberlebenszeit.
Diese Analyse zeigt, dass ältere, überwiegend männliche Patienten ein höhe-res Risiko für ein PEK aufweisen, wobei die Tumore meist im Gesichtsbereich vorkommen und regional metastasieren. Die chirurgische Resektion ist die be-vorzugte Therapie, gefolgt von Immuntherapie bei inoperablen Fällen. Ein besseres tumorspezifisches Überleben im Vergleich zum Gesamtüberleben deutet auf eine effektive Behandlung hin. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Alter und begleitende Krankheiten ebenfalls das Gesamtüberleben beein-flussen. Für zukünftige Studien wäre es sinnvoll, sowohl größere Patienten-gruppen zu erfassen als auch längere Beobachtungszeiträume zu berücksich-tigen, um die Aussagekraft zu erhöhen.