Aktualisierung eines Analgosedierungsprotokolls zur Einsparung von Benzodiazepinen bei Neugeborenen und Säuglingen nach kardiochirurgischem Eingriff

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Zitierfähiger Link (URI): http://hdl.handle.net/10900/157754
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-1577542
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-99086
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2024-10-02
Sprache: Deutsch
Fakultät: 4 Medizinische Fakultät
Fachbereich: Medizin
Gutachter: Hofbeck, Michael (Prof. Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2024-09-09
DDC-Klassifikation: 000 - Allgemeines, Wissenschaft
610 - Medizin, Gesundheit
Freie Schlagwörter: Einsparung Benzodiazepinen in Neugeborenen und Säuglingen
Analgosedierungsprotokoll für Neugeborene und Säuglinge
Delirium und Entzug bei Neugeborenen und Säuglingen
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Inhaltszusammenfassung:

Benzodiazepine stehen im Verdacht potentiell neurotoxischer Nebenwirkungen bei Säuglingen, sind aber zusammen mit Opioiden die häufigsten eingesetzten Medikamente in der Analgosedierung auf pädiatrischen Intensivstationen. Sie begünstigen das Entstehen eines Delirs, und können über eine Toleranzentwicklung und bei zu schneller Reduktion ein Entzugssyndrom hervorrufen. Therapeutische Bemühungen zielen deshalb darauf ab, in der Analgosedierung intensivpflichtiger Neugeborener und Säuglinge die Verwendung von Benzodiazepinen zu reduzieren. Ziel dieser Arbeit war es zu bewerten, ob es möglich ist, durch ein modifiziertes Analgosedierungsprotokoll die routinemäßige Verabreichung von Benzodiazepinen bei Säuglingen in einem Alter bis zu 6 Monaten zu reduzieren oder gänzlich zu vermeiden. Gleichzeitig sollte unter Wahrung einer adäquaten Analgosedierung eine wesentliche Erhöhung der kumulativen Dosierungen von Opiaten und alpha-2-Agonisten vermieden werden. Untersucht wurden in einer retrospektiven, zweiarmigen, nicht-randomisierten Studie 65 Neugeborene und Säuglinge mit einem Alter von < 6 Monaten, die auf der pädiatrischen interdisziplinären Intensivstation des Universitätsklinikums Tübingen im postoperativen Verlauf nach herzchirurgischen Operationen behandelt wurden. Verglichen wurden dabei Patienten, die von 1/2016 – 12/2016 in der postoperativen Phase mit einem konventionellen Analgosedierungsregime mittels Morphin, Clonidin und Midazolam sowie einen darauf abgestimmten Reduktionsplan behandelt wurden mit Patienten aus dem Zeitraum 1/2018 – 12/2018, bei denen ein modifiziertes Protokoll zum Einsatz kam. In diesem Analgosedierungsregime, welches auf der Verwendung von Morphin und Clonidin als DTI basierte, war der Einsatz von Midazolam als Bolus- oder DTI-Applikation nicht primär vorgesehen. Der Einsatz von Midazolam konnte aber bei Zeichen einer Untersedierung jederzeit begonnen werden. In beiden Gruppen erfolgte die Überwachung der Sedierung und Analgesie mittels der COMFORT-B-Skala und des NISS, dabei wurde zur optimalen Sedierung ein COMFORT-B Gesamtwert von 12-18 Punkten sowie ein NISS von 2 angestrebt. Bei niedrigeren oder höheren Werten wurde die Medikation entsprechend dem Protokoll adaptiert. Zur Erfassung eines Delirs oder eines Entzugssyndroms während der Entwöhnungsphase der Analgosedierung kam die SOS-PD Skala zum Einsatz, bei einem Punktewert von  4 erfolgte das Aussetzen der Analgosedierungs-Reduktion für 24 Stunden. Die Erfassung der Skalen erfolgte mindestens alle 8 Stunden. Die erhobenen klinischen Daten der Patienten umfassten Alter, Geschlecht, Gewicht, die Art des Herzfehlers, das Operationsdatum, die Dauer der mechanischen Beatmung sowie die Aufenthaltsdauer auf der PICU. Der postoperative Beobachtungszeitraum erstreckte sich über 120 Stunden und wurde in Intervalle von 8 Stunden Dauer aufgeteilt, deren Endzeitpunkte jeweils als Point in time (PIT) bezeichnet wurde. Es erfolgte eine Auswertung der durchschnittlichen Dosierung der verabreichten Medikamente Morphin, Clonidin und Midazolam in den jeweiligen Zeitabschnitten, zudem wurden die kumulativ verabreichten Dosen dieser Medikamente über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg ermittelt. In der Gruppe vor der Protokolländerung (Prämodifikationsgruppe) wurden 33 Patienten erfasst, in der Gruppe nach Einführung des modifizierten Protokolls (Postmodifikationsgruppe) wurden 32 Patienten erfasst. Die Studienkohorte aus Neugeborenen oder Säuglingen hatte ein Durchschnittsalter von 2,7 Monaten, dass durchschnittliche Gewicht lag bei 4,4 kg. Diesbezüglich bestanden keine signifikanten Unterschiede beider Gruppen. Behandelt wurden Neugeborene und Säuglinge mit Ventrikelseptumdefekten (n=15), Atriumseptumdefekt (n=1), atrioventrikulären Septumdefekten (n=3), Fallot-Tetralogien (n=14), Transposition der großen Arterien (n=13), totaler Lungenvenenfehlmündung (n=3), Hypoplastischem Linksherzsyndromen (n=5), Double Outlet Right Ventricle (n=1), Univentrikulären Herzen (n=4), Truncus arteriosus communis (n=2), Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum (n=1), kritischer Aortenisthmusstenose (n=1), Aortenbogenhypoplasie (n=1), sowie der Fehlabgang der linken Pulmonalarterie (n=1). Nach Einführung des modifizierten Protokolls konnte bei etwa einem Drittel der Patienten vollständig auf den Einsatz von Midazolam verzichtet werden. Es zeigte sich eine signifikant niedrigere kumulative Dosierung von Midazolam in der Postmodifikationsgruppe (1,17  0,48 mg/kg im Vergleich Prämodifikationsgruppe 0,67  0,74 mg/kg, p= 0,014). Die kumulativen Dosen von Clonidin und Morphin zeigten keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen. Es wurden nominal mehr Fälle von Delirium (25% vs. 12,1%) und Entzugssyndromen (15,6 % vs. 9,1%) in der Postmodifikationsgruppe beobachtet, jedoch konnte kein signifikanter Unterschied erhoben werden. Es gab keinen Unterschied in der Auswertung des NISS-Scores und der COMFORT-B-Skala, so dass von einer adäquaten Sedierung auch nach Einführung des modifizierten Analgosedierungsprotokolls ausgegangen werden kann. Die Dauer der mechanischen Beatmung sowie der Gesamtaufenthalt auf der PICU konnten durch Anwendung des modifizierten Protokolls allerdings nicht signifikant verkürzt werden. Komplikationen, wie akzidentelle Extubationen, medikamentöse Nebenwirkungen oder Herzrhythmusstörungen wurden in der Postmodifikationsgruppe nicht beobachtet. Zusammenfassend konnte in der vorliegenden Arbeit gezeigt werden, dass in einem Kollektiv von Neugeborenen und Säuglingen nach Operation angeborener Herzfehler durch Anpassung eines Analgosedierungsprotokolls die Einsparung von Midazolam unter Erhaltung einer adäquaten Analgosedierung möglich ist. Voraussetzung für die objektive Beurteilung der Analgosedierung sowie möglicher Nebenwirkungen wie Entzug und Delir war der Einsatz von Bewertungsskalen und Scoring Systemen durch die Pflegekräfte. Mögliche Komplikationen wie akzidentelle Extubation waren unter dem modifizierten Regime nicht zu beobachten. In der vorliegenden Studie zeigte sich aber keine Verkürzung der Beatmungs- und Intensivverweildauer der Patienten. Dies ist möglicherweise auf die relativ kleine untersuchte Kohorte zurückzuführen. Die vorliegende Studie ist ermutigend im Hinblick auf die Möglichkeit der Einsparung von Benzodiazepinen in der Analgosedierung von intensivpflichtigen Neugeborenen und Säuglingen. Zukünftige Untersuchungen an größeren Kollektiven werden zeigen, ob es mit diesem Behandlungsregime nicht doch möglich ist Intensivverweildauer sowie Nebenwirkungen wie das Delir bei Kindern signifikant zu reduzieren.

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