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Einleitung: Die proximale Tibiafraktur mit Gelenkbeteiligung stellt eine
chirurgische Herausforderung dar. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen
Therapieplanung ist eine akkurate Diagnostik mit einer präzisen
dreidimensionalen Beschreibung der Fraktur. Hierzu wurden dreidimensionale
Klassifikationssysteme für den Tibiakopf beschrieben, welche jedoch bisher
unzureichend hinsichtlich Vergleichbarkeit und Reliabilität analysiert wurden. Ziel
dieser retrospektiven radiologischen Studie war es die vier gängigsten,
dreidimensionalen, CT-basierten Klassifikationssysteme u.a. hinsichtlich
Intrarater-Reliabilität und Percent-Agreements zu untersuchen.
Methoden: Retrospektiv wurden 386 Computertomographien von 381 Patienten,
die von 2015-2019 in der BG Unfallklinik Tübingen auf Grund einer
Tibiakopffraktur therapiert wurden, analysiert. Die Bildgebung wurde durch einen
Observer analysiert und die Fraktur zu zwei Zeitpunkten klassifiziert. Hierzu
wurde das 3-Säulen-Konzept nach Luo, die 10-Segment-Klassifikation nach
Krause/Frosch, die Kfuri/Schatzker-Klassifikation sowie die AO-Klassifikation
verwendet. Das Zeitintervall zwischen erster und zweiter Bewertung betrug 8
Wochen. Die Häufigkeit der Frakturtypen für jedes Klassifikationssystem wurde
deskriptiv dargestellt. Des Weiteren erfolgte die Berechnung der Intrarater-
Reliabilität mittels Cohens-Kappa (κ) und des Percent-Agreements (p.a.). Der
Grad der Übereinstimmung wurde anhand der Empfehlungen von Landis und
Koch bewertet. Jede Klassifikation wurde mittels subjektiver, 5-stufiger
Ordinalskala bezüglich des Informationsgehaltes (Differenzierung zw.
Frakturen), der Lernkurve sowie der Möglichkeit der chirurgischen
Therapieplanung bewertet.
Ergebnisse: Hinsichtlich der AO-Klassifikation wurden 36 B1, 66 B2, 123 B3, 21
C1, 8 C2 und 132 C3-Frakturen befundet. In der Luo-Klassifikation zeigte sich
eine Beteiligung der posterioren Säule in 331 (86%) Fällen, der lateralen Säule
in 323 Fällen (84%) und der medialen Säule in 184 Fällen (48%).
Die Intrarater-Reliabilität der Klassifikation nach Luo betrug κ=0,848, p.a.=89,1,
nach Krause/Frosch κ=0,621 p.a.=64,5, nach Kfuri/Schatzker κ=0,793, p.a.=81,1
sowie nach AO κ=0,756, p.a.=79,9. Die Luo-Klassifikation zeigte eine leichte
Erlernbarkeit. Die Differenzierung zwischen Frakturen ist hingegen erschwert.
Die höchsten Reliabilitäts-Werte hinsichtlich Frakturgröße zeigten folgende
Klassifikationen: die AO-Klassifikation bei kleinen Frakturen, die Kfuri/Schatzker-
Klassifikation bei mittleren Frakturen, die Luo-Klassifikation bei großen Frakturen
und die Krause-Klassifikation bei Trümmerfrakturen.
In der Kfuri/Schatzker-Klassifikation ist die Differenzierung zwischen lateraler
Impressions- (Typ III) und lateraler Impressions-Spaltfraktur (Typ II) erschwert.
Eine präzise Konstruktion des „virtuellen Äquators“ ist erschwert, wenn das
kraniale Ende des Fibulakopfes unterhalb der Gelenkfläche liegt und folglich in
der axialen CT-Schichtung (Konstruktionsebene) nicht sichtbar ist. Die AOKlassifikation
zeigte niedrigere Reliabilitäten in der Bewertung von C-Frakturen.
Ein Grund hierfür scheint die Vielzahl ähnlicher Subtypen in der bikondylären
Frakturkategorie C.
Schlussfolgerung/Ausblick: Die Klassifikation von Luo zeigte die höchste
Reliabilität. Der Informationsgehalt ist aufgrund vergleichsweise weniger und
größerer Fraktursubgruppen gering. Die Therapieableitung ist erschwert. Die
Klassifikationen von Kfuri/Schatzker und AO bieten geeignete
Differenzierungsmöglichkeiten bei hohen Reliabilitäten und adäquater
Komplexität für den klinischen Alltag. Weitere Studien zur Interrater-Reliabilität
sind nötig. Des Weiteren ist die Anwendung im klinischen Setting bzgl. Ableitung
einer chirurgischen Strategie sowie die Verknüpfung mit klinischen Outcomes in
weiteren Arbeiten zukünftig zu untersuchen. |
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