Sauerbruch und seine Schüler

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Zitierfähiger Link (URI): http://hdl.handle.net/10900/139436
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-1394364
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-80783
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2023-04-21
Sprache: Deutsch
Fakultät: 4 Medizinische Fakultät
Fachbereich: Medizin
Gutachter: Tümmers, Henning (Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2023-03-02
DDC-Klassifikation: 610 - Medizin, Gesundheit
900 - Geschichte
Freie Schlagwörter: Schüler
Schule
Ferdinand Sauerbruch
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Inhaltszusammenfassung:

Als Chirurg und Ordinarius an drei großen Universitätskliniken in der Schweiz und Deutschland wird Ferdinand Sauerbruchs (1875-1951) prägendes Schaffen in Wissenschaft und Medizin häufig auch als „schulbildend“ bezeichnet. Die „Sauerbruch-Schule“ ist ein Ausdruck, der vor allem in Zusammenhang mit von Sauerbruch entwickelten medizinischen Erneuerungen auf dem Gebiet der Thoraxchirurgie Anwendung findet. Chirurgen die unter Sauerbruch Assistenz- und Oberärzte waren, werden häufig als seine „Schüler“ bezeichnet. Die vorliegende Arbeit greift diesen Sachverhalt auf und wirft einen nüchternen Blick darauf, was diese Schule im Kern charakterisiert. Neben fachlichen Prägungsmustern sollen dabei auch politische und ideologische Gemeinsamkeiten aufgedeckt werden. Das erscheint ebenfalls von besonderem Interesse, war Sauerbruch doch neben seiner ärztlichen Tätigkeit eine politisch agierende und als solche auch von der Öffentlichkeit wahrgenommene Person. Gerade seine politische und ideologische Haltung zum Nationalsozialismus und Antisemitismus wird kontrovers diskutiert und ist Gegenstand aktueller Forschung. Entgegen der häufigen Erwähnung der Sauerbruch-Schüler ist über ihre eigentlichen Akteure überraschend wenig bekannt. Immer wieder lesen sich in dem Zusammenhang die Namen der bekanntesten „Sauerbruch-Schüler“ Rudolf Nissen, Emil Frey, Alfred Brunner, Wilhelm Jehn, Willi Felix, Max Lebsche und Hermann Krauss, deren Gemeinsamkeit vor allem in der Anwendung und Weiterentwicklung der Thoraxchirurgie liegt. In der vorliegenden Arbeit wurde dieser kleine Kreis bedeutend erweitert. Insgesamt 115 Ärzte, die unter dem Ordinariat Sauerbruchs in seiner Zeit in Zürich, München und Berlin gearbeitet haben, wurden systematisch erfasst, um nach o.g. Prägungsmustern zu suchen. Die Ergebnisse der Studie konterkarieren in vielerlei Hinsicht das bisherige Bild der SauerbruchSchule, wie es von ihren Protagonisten und auch von Autoren der neueren Literatur entworfen wurde. Das gilt insbesondere für die fachliche Prägung. Der als brillanter Thoraxchirurg und gleichermaßen hervorragender Lehrer geltende Sauerbruch stand mehreren Generationen von Ärzten vor, bei denen nur in Einzelfällen eine herausragende wissenschaftliche und medizinische Karriere zu beobachten war. Vor allem die Thoraxchirurgie, die in der Literatur als die schulbildende Domäne Sauerbruchs galt, fand sich nur bei sehr wenigen seiner Schüler als langfristiger Tätigkeitsschwerpunkt. Ihre Zahl beläuft sich auf 13 Ärzte, darunter sieben spätere Lehrstuhlinhaber. Auch die Rekonstruktion der ideell-politischen Positionen der Sauerbruch-Schule steht teilweise im krassen Widerspruch zu vorherrschenden Vorstellungen und liefert neue Ergebnisse. Dies zeigt sich an einer überdurchschnittlich hohen Zahl von (frühen) NSDAP-Mitgliedern und einem signifikant hohen Anteil von SS-Zugehörigkeiten. Viele dieser Ärzte muss Sauerbruch in Kenntnis ihrer politischen Funktionen und Mitgliedschaften eingestellt haben. Zwar waren auch Ärzte in seinen Kliniken tätig, die nach 1945 als NS-kritisch galten (s. Wohlgemuth und Jung), doch bildeten diese die Ausnahme. Die im Rahmen der Entnazifizierung geäußerte Behauptung Sauerbruchs, dass ein nur geringer Teil der Assistenzärzte NSDAP-Mitglieder gewesen seien, muss somit als widerlegt gelten. Neu ist auch die Erkenntnis, dass der Anteil von Ärzten jüdischer Herkunft in Sauerbruchs Kliniken bis 1933 signifikant gering war. Sauerbruch hatte von diesen in seiner Laufbahn als Ordinarius überdies lediglich zwei Assistenzärzte selbst eingestellt. Nach ihrer Entlassung aus dem Hochschuldienst 1933 besetzte Sauerbruch die frei gewordenen Stellen mit regimekonformen Ärzten. In Anbetracht aller bisherigen Informationen über Sauerbruchs kritische Haltung zum Antisemitismus ist auch dies ein erstaunliches Ergebnis. Die vielleicht größte Gemeinsamkeit unter den Schülern Sauerbruchs war, dass der weitaus größte Teil von Ihnen im Laufe ihrer Karriere einen Chefarztposten besetzen konnte. Zumindest ein sehr hohes Ansehen, auch über die Grenzen Deutschlands und der Schweiz hinweg, ist der SauerbruchSchule zu attestieren.

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