Haase, Fee Alexandra:
Eine Leipziger Edition der Sammlung von Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen außerlesener bißher ungedruckter Gedichte von Benjamin Neukirch aus dem Jahre 1697

 

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Neukirch, Benjamin:
Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen außerlesener und bißher ungedruckter Gedichte
1697

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Die Editionsgeschichte der Neukirch'schen Sammlung

Zu den vornehmsten Zeugnissen der Barockepoche des 17. Jahrhunderts zählen die Dichtungen. Die Dichtung des Barock erreicht eine Blüte, die durch verschiedene Faktoren begünstigt wurde. So ist die Rezeption der antiken Dichtung neben der Etablierung der nationalen Landessprache der fruchtbare Boden, auf dem die Barockdichtung gedeiht. Gerade zur Unterhaltung war die Poesie ein beliebtes Medium und diese Wirkung wurde von den politisch Machthabenden genutzt. Der Dichter als  Dienstleister brachte die Gattung des Gelegenheitsdichtung mit sich, unter der Auftragsarbeiten unterschiedlichen Anlasses zu finden sind. Die Sammlung von Gattungen barocker Dichtung Christian Hoffmann von Hoffmannswaldaus und anderer Barockdichter liegt in der Edition seiner poetischen Werke aus dem Jahre 1697 vor.[1] Von der Neukirch'schen Sammlung von Barock-Gedichten existieren mehrere Editionen.[2] In diesen Editionen sind von verschiedenen Autoren Gedichte veröffentlicht, deren Autoren lediglich mit Initialen genannt werden.[3]

Es handelt sich bei unserer Publikation um die folgende Edition:

Herrn / von Hoffmannswaldau / und andrer Deutschen / außerlesener / und / bißher ungedruckter / Gedichte / erster theil / nebenst / einer vorrede / von der deutschen Poesie. / Mit Churfl. Saechs. Gn. PRIVILEGIO. / LEIPZIG / Bey Thomas Frisch 1967.

 

Diese Gedichte werden mit den Worten des Dichters als brieffe in der Anthologie bezeichnet. Die Anthologie berücksichtigt neben Hoffmannswaldaus Gedichten, die mit der Sigle C. H. v. H. gekennzeichnet sind, auch die Werke von anderen, ebenfalls nur mit ihrem Initialen erwähnten Dichtern unter den Rubriken der Gattungen "Galante Gedichte", "Verliebte Gedichte", "Hochzeit-Gedichte", "Begraebniß-Gedichte", "vermischte Gedichte", "Verliebte Arien" und "vermischte Arien".[4] Alle Autoren werden hier lediglich mit Initialen genannt.[5] Die Autoren –Initialen sind wie folgt:

 

C. H. v. H.        72

B. R.                38

Anonymus       36

C. E.                21

H. M.                 2

J. S. S.              1

E. G. R.           4

E. N.                2

D. C. v. L.        3

C. G.                2

B. S.                 1

J. F. K.             1

 

Diese Edition umfasst die Gedichte von Hoffmann von Hoffmannswaldaus und anderen Barockdichtern. Die Abbildung gegenüber dem Titelblatt stellt eine weibliche Allegorie der Rhetorik mit einer Trompete und einem Blatt dar, auf dem der Titel des Werks wiederholt wird. Die vorangestellten Kommentare des Herausgebers sind die Widmungen für den Landesfürsten von Bülau und die Vorrede, in der an den Leser gerichtete Anmerkungen über das Werk gemacht werden. Einleitend wird hier die deutsche Nationalliteratur behandelt:

 

Es giebt viel leute / welche die deutsche poesie so hoch erheben / als ob sie nach allen stücken vollkommen waere: Hingegen hat es auch andere / welche sie gantz erniedriegen / und nichts geschmacktes daran finden / als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekuemmern / als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles / was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: Es geht ihnen / wie den kleider-narren / deren etliche altes alte / die andern alles neue fuer zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen / was in einem oder dem andern gutes steckt. Wir duerffen uns mit unsrer Poesie so klug nicht duencken / dass wir die auslaender dagegen verkleinern wollten. Denn wir haben noch einen großen berg vor uns / und werden noch lange klettern muessen / ehe wir auff den gipffel kommen / auff welchem von denen Griechen Homerus und Sophocles, von denen Roemern Horatius und Maro [i.e. Virgil] gesessen. [O. S.]

 

Offensichtlich war trotz oder gerade wegen der Verbreitung von Nationalsprachen in der europäischen Dichtung eine heftige Diskussion um die Nutzung der Landessprachen im Gange. Vergleicht man die Verbreitung der Nationalsprache in der schönen Literatur mit anderen literarischen Bereichen, so kann man sagen, dass gerade diese Literatur die Etablierung des Deutschen vorangetragen hat – in den Fachwissenschaften der deutschen Universitäten etabliert sich das Deutsche erst allmählich gegen Ende des nächsten Jahrhunderts. Der Herausgeber bemerkt:

 

Wir leben auch zugleich zu einer zeit / da die Deutschen fast nicht mehr Deutsche seyn; Da die auslaendischen sprachen den vorzug haben / und es eben so schimpflich ist / deutsch zu reden / als einen schweitzerischen latz oder wamst zu tragen. Hierzu kommen unsere eigne unachtsamkeit / dass wir unsere fehler gar zu geringe achten / alles hinsudeln / wie es uns in die feder fleust / und lieber zehen bogen schlimme verse / weder sechs zeilen gute machen; [O. S.]

 

Die Sammlung setzt sich zum überwiegenden Teil zusammen aus Liebensgedichten.[6] Die Veröffentlichung der Gedichte fällt in einen Zeitraum, in dem die Etablierung der deutschen Sprache durch Sprachgesellschaften ein gesellschaftspolitisches Ereignis darstellt. Die Edition der Gedichte ist als eine Raubpressung der früheren Edition zu betrachten. Die Texte des Herausgebers und die Widmung an den von Bülau sind die einzigen Anmerkungen dieser Edition. Die Gedichte sind untergliedert in Galante Gedichte, Verliebte Gedichte, Sinn-Gedichte, Hochzeit-Gedichte, Begräbniß-Gedichte, Vermischte Gedichte und Verliebte Arien. Damit sind sie unter rhetorischen gattungsgeschichtlichen Gesichtspunkten dem genus laudativum zuzuordnen, das sich auf die öffentliche epideiktische Rede bezieht. Mit ihren fiktiven und konkreten Adressantinnen und Adressaten hat die Sammlung historische Bedeutung. So zeigt auch die enge Bildung des Dichters an die Aufträge des jeweiligen Herrschers. Bereits der Zusatz auf dem Deckblatt ist der Zusatz Mit Churfl. Saechs. Gn. Privilegio der Hinweis, dass das Werk die Zensur erfolgreich passiert hat. Die Werke in der Sammlung sind so für die zeitgenössische Herrschaft konzipierte Gedichte zu finden, die unter der Bezeichnung Gelegenheitsdichtung klassifiziert werden und uns so historische Ereignisse aus dieser Zeit überliefern. Jedoch finden sich in der Sammlung neben Werken, die sich  dem Herrscherlob auftragsgemäß verschrieben haben, auch Werke, deren zeitgenössischer Kommentar und Kritik durchaus den wertenden Aspekt und eine bewertende Distanz des Dichters zu den politischen und gesellschaftlichen Ereignissen zeigen. 

 

Postum erscheinen Herrn von Hoffmannswaldaus und anderer Deutschen auserlesener und bisher ungedruckter Gedichte mit bisher nicht publizierter Liebesdichtung. Diese Sammlung von Gedichten enthält Werke unterschiedlicher Themen, die sich aus Gelegenheitsdichtungen, die zeitgenössische Ereignisse thematisieren und  somit historische Dokumente sind, und rein fiktionale Poesie, die in der Tradition barocker Dichtungsmetaphorik steht.  Die eigens gewählte Unterscheidung zwischen den Dichtungsgattungen kann als Beitrag zum literarischen Gattungssystem der zeitgenössischen Poetik betrachtet werden. Die Intention des Werkes lässt sich an der Thematik des Vorwortes von Neukirch ermessen. Die Pflege der deutschen Sprache gegenüber dem Lateinische und gegenüber den anderen europäischen Nationalsprachen strebte der Herausgeber an. Und das wohl nicht von ungefähr, konkurrierte das Deutsche doch gegen das Italienische als Nachfolgerin des Lateinischen und die französische Sprache, die das höfische und politische Gesellschaftssystem des Absolutismus als lingua franca repräsentierte. So kann es auch nicht verwundern, dass die licentia und liberalitas der Poetik auf dem Weg zur Etablierung der deutschen Sprache als Nationalsprache eine erhebliche Rolle spielte und bereits die Herrscher, die durch die Sprachgesellschaften zur Reformation und Stärkung der deutschen Sprache beitrugen, letztlich zeitgenössische Philologen und Dichter in Personalunion wie Opitz für diese Zwecke heranzogen.   

 

 

 


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Benjamin Neukirch und die deutsche Dichtung des Barockzeitalters

Die Bezeichnung Barock drückt in allen Kunstbereichen die Abkehr von den klaren harmonischen Formen der Renaissance aus und die Vorliebe für Schmuck, Bewegtheit und Üppigkeit.  Im Barock ist die Literatur Programmkunst von Auftragsarbeiten. Die Dichter des Barock sind meist an Gymnasien und Universitäten gebildete Beamte, Professoren und Geistliche. Diese literati erfreuen sich an den Höfen der Gunst fürstlicher Mäzene. Dichter gehörten gelehrten Gesellschaften an, in denen sich  Geistes- und Geburtsaristokratie im Bemühen um Pflege und Förderung der Sprache und Dichtung zusammenfinden. Benjamin Neukirch (1665-1729) war als Herausgeber, Advokat, Erzieher und Professor tätig und spiegelt so die zeitgenössische Kultur wieder.[7]  Dichter seiner Zeit konnten in der Frage der Nationalsprachen in Deutschland als Autoritäten fingieren. Im frühen 18. Jahrhundert dienen Hoffmannswaldaus Textes als Exempla für deutsche Sprache und Rede. August Buchners Kurzer Weg-Weiser zur deutschen Tichtkunst wird von Georg M. Gözen im Jahre 1663 in Jena herausgegeben. Ein Entwurff, der lehrmäßigen Anweisung zur teutschen Ticht-Kunst wird von Samuel Schelwig in  Wittenberg im Jahre 1671 herausgegeben. Die Deutschen Redeübungen erscheinen von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau in Leipzig im Jahre 1702. Johann Christoph Männlings Deutsch-Poetisches Lexicon der auserlesensten Phrasiologi aus denen vornehmsten Poëten wird mit Beitäden von Opitz, Tocherning, Flemming, Hoffmannswaldau, Abschatz, Lohenstein, Gryphius, Neukirchen, Mühlpfort, Hallmann veröffentlicht in Frankfurt im Jahre 1715. 

 

Die Barock-Literatur wurde für die Repräsentenz der höfischen Gesellschaft geschaffen. Pathos und theatralische Repräsentationsbedürfnis fanden in der Kunst ihren künstlerischen Ausdruck. Die Dichtung stand auch im Dienste der Fürsten. Das Herrscherlob diente ihrer Verherrlichung. Freie Schriftsteller gab es erst in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, in der sich jedoch immer noch der Vermerk ´cum privilegio´, also die erfolgreiche Prüfung des Werkes durch die Zensur, auf den Titelblättern fand. Die Literatur des deutschen Barock entfaltet sich vor dem Hintergrund einer sozial krisenhaften geschichtlichen Periode. Die historischen Umbruchssituation mit konfessionellen Auseinandersetzungen, Dreißigjährigem Krieg, Zerfall des Reiches und der Herausbildung des frühmodernen, absolutistischen Territorialstaates erweist sich für die literarische Produktion in Deutschland wie auch die sprachtheoretische Reflexion und praktische Sprachreformen als äußerst produktiv. Die protestantische Literatur um Martin Opitz und die Sprachgesellschaften hatte sich das Ziel gesetzt, die deutsche Literatur auf der Grundlage humanistischer Auffassungen zu erneuern und nach dem Vorbild Italiens und Frankreichs den Anschluss an die nationalsprachlichen europäischen Renaissanceliteraturen zu gewinnen. Träger der Reform waren die humanistisch gebildeten Gelehrten in den Städten und der nobilitas litteraria an den Höfen. Wie die überwiegende Anzahl an lyrischen Gedichten in der Neukirch´schen Edition zeigt, gelang es bei den lyrischen Gattungen, sich die poetischen Mittel, den Formenkanon und die Themen der Vorbilder anzueignen und zu eigenständigen Leistungen zu finden, die als Material die Sprachreform stützten. Ihre Anwendung fand die sprachwissenschaftliche Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache in der Lyrik bei Martin Opitz, Paul Fleming, Andreas Gryphius, Philipp von Zesen, Johannes Scheffler, Quirinus Kuhlmann und Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau. Die zeitgenössischen religiösen und  politischer Spannung  spiegeln sich literarisch in den antithetischen literarischen Themen wieder. Die bevorzugten Stilmittel waren Allegorie, Metapher, Topos und rhetorische Pathosformel, die in einer gemäßigten Verwendung zu einer künstlerischen Artistik, in ihrer Übersteigerung zum Schwulst führten.  Neben Dichtung findet sich der Gebrauchstext wie die Grabschrift, Dichtungen aus Anlass politischer Ereignisse, Beschreibungen von Bildnissen von Herrschern. Hochzeits- und Begräbnisgedichte dokumentieren die absolutistische Ordnung der Barock.

    

Gerade diese Situation der Etablierung der deutschen Sprache dokumentiert die Neukirch´sche Sammlung nur zu gut und vermittelt uns so die Valenz des Deutschen als Literatursprache. Der Herausgeber spricht sogar im letzen Satz seiner Vorrede von einer deutschen Mythologie. Von der Liebesdichtung mit ihren verliebten Gedichten und verlieben Arien sowie der galanten Dichtung führt die Sammlung in der Rubrik Sinn-Gedichte zu Sinngedichten, die neben der traditionellen Typengedichten mit Beschreibungen von Personentypen zeitgenössische Herrscher und politische Anlässe beschreiben. Wir erfahren so zumeist in Sonetten von Geburten, Krönungen und Todestage von Herrschern, ihren politischen Handlungen und Ereignissen. Auch die Begräbnis-Gedichte dokumentieren diese Entwicklung. Unter den Vermischten Gedichten finden wir nun Beispiele, bei denen die licentia des Dichters zu offenen Anrufungen und Kommentare genutzt wurde. Die barocke Antikenrezeption hat die Aufgabe einer didaktischen Allegorese übernommen und kann in jeder Hinsicht als eine ´auctoritas antiquitae´ mit geprüften exempla gegenüber den wechselhaften Ereignissen unter den zeitgenössischen politischen Autoritäten betrachtet werden. Die vorliegende Edition der Neukirch'schen Sammlung von Barock-Gedichten gibt mit Ausnahme der Auslassungen von Seiten, die nicht eingebunden wurden, das Werk wieder. Die gegenüberliegenden Seiten wurden jeweils zusammen dargestellt.[8] Neukirchs eigene Beiträge zur deutschen Sprache umfassen Übersetzungen und eigene Werke und Briefe. Noch niemals gedruckte Satyren Neukirchs werden in Dresden im Selbstverlag im Jahre 1731 herausgegeben. Anweisung zu Teutschen Briefen von Neukirch werden in Nürnberg im Jahre 1746 veröffentlicht. Satyren und Poetische Briefe von Neukirch werden in Frankfurt und Leipzig im Jahre 1757 publiziert. Die Begebenheiten des Prinzen von Ithaca, oder Der seinen Vater Ulysses suchende Telemach von Fénélon werden in der deutschen Übersetzung von Neukirch in Nürnberg im Jahre 1762 herausgegeben.

 

Schlesien wird im Barock zum Zentrum der Literatur, vertreten durch Opitz, Gryphius und Silesius. Gelehrsamkeit und Formbeherrschung waren die Voraussetzungen dieser Dichtung. Die nur von einem kleinen Kreis der Gelehrten gelesen und verstanden. So kann es auch nicht verwundern, dass die Dichtung einen so großen Einfluss auf die kulturpolitischen Entscheidungen hatte, die sich insbesondere in den Reformansätzen der Sprache wiederspiegeln. Die deutschen Sprachgesellschaften wie die Fruchtbringende Gesellschaft, die Königsberger Kürbishütte und Pegnitzschäfer bemühen sich um die Pflege von Sprache und Dichtung. Die Reinigung der Sprache von Fremdwörtern, Dialektausdrücken und Barbarismen, Übersetzungen ausländischer Dichtungen als Vorbilder und Erörterung poetischer Probleme sind ihre Hauptziele. Neukirchs kontrastive Gegenüberstellung von deutscher und französischer Sprache in seinem Vorwort zur Edition ist hierfür ein nur zu gutes Beispiel. Die Dichtungen, die im Barock entstehen, sind stark intellektuelle bestimmt und zeigen kunstvolle Formbeherrschung, zum anderen sind sie verbunden mit den kulturpolitischen Konzeptionen der zeitgenössischen Herrscher. Durch das Bürgertum in den Städten wuchs eine Nachfrage nach Literatur, die durch eine weitgehend anonymisierte Kultur des Buchhandels vermarktet wurde. Neukirchs Sammlung wurde Gegenstand zahlreicher Raubdrucke.

 

Homer, Aristoteles, Ovid, Vergil, Horaz, Seneca waren die Vorbilder von Barockdichtern. Jedoch ist die Auseinandersetzung mit den Autoritäten der Antike durch die Übernahme von Motiven und Themen in formalisierter Weise geprägt. Übernommen wurde die antike Lehre von den literarischen Gattungen mit ihren Anweisungen und Vorschriften für die Literatur. Jede Gattung der Literatur und Rhetorik hatte verbindliche Themen und Formen. Diese Übernahme dieser Regeln regte die Produktion von deutschen Texten durch Übersetzungsleistungen an. Die Regeln für diese Gattungen waren in Poetiken und Rhetoriken formuliert, die sich auf antike Vorbilder beriefen. Die Poetik setzte sich wie ihre Schwesterdisziplin, die Rhetorik, zusammen aus der Lehre von der Erfindung (inventio), der Disposition von Sachen und Gattungen (dispositio) und der Gestaltung von Sprache durch den Stil (elocutio).

 

Die Gedichte Rede der schreibe=feder und Verkehrtes Sonnet der schreibe=feder von B. S. sind Beispiele in Neukirchs Sammlung für die Beschreibung des Stils der beredsamkeit.

 

Rede der schreibe=feder.

Mich hat ein schwaches thier zwar zu der welt gebracht/

Doch kann ich thron und kron durch meine kunst besiegen/

Es wird des scepters stab zu meine fuessen liegen/

Wo ihn der kluge kiel durch sich nicht schaetzbar macht.

Rom war bey aller welt durch mich so groß geacht/

Daß / wenn sich koenige und fuersten musten biegen/

So stieg ich ueber diß. Den lorbeer=krantz von kriegen

Hat eintzig und allein vermehret meine pracht.

Der himmlische Vergil saß in Augustus schooß/

Und Cicero hat offt durch reden Rom beweget.

Itzt wird Germanien noch tausendmahl so groß/

Weil es den helden=muth auff freye kuenste leget.

Manch hut/ der mich zwar traegt/ wird nur durch mich verstellt/

Weil sich nicht kunst und witz zu seinem strauß gesellt.[9]

 

In dem Verkehrten Sonnet der schreibe=feder mutet der Vers Offt muß beredsamkeit sich vor dem fuersten biegen/ wie ein zeitgenössischer Kommentar, projiziert auf die antiken Herrscher, an:

 

Verkehrtes Sonnet der schreibe=feder.

Die kunst ist ohne Macht/ wo sich nicht Mars gesellet/

Die feder hat den Stahl offt bloß aus furcht verstellet/

Und ob sich itzt ein held auff freye kuenste leget:

Doch ward Germanien noch 1000 mahl so groß/

Als seiner waffen blitz das stolze Rom beweget.

Es sey/ dass ein Virgil saß in Augustus schooß/

So stand die majestaet nur auff der schwerdter pracht.

Diß kaeysers purpur stieg durch gluecke von den kriegen/

Offt muß beredsamkeit sich vor dem fuersten biegen/

Und ein schlecht feder=kiel wird nicht so groß geacht/

Als wenn ein tapffrer muth den feind zu nichte macht/

Vor dem sein unterthan gebuecket muste liegen:

Der harmisch und der stahl kan ja die welt besiegen/

Duch diß hat Rom die Welt zur Dienstbarbeit gebracht.[10]

 

Der Barock war ein visuelles kulturelles Zeitalter mit strengen formalen Auflagen an die Dichter. Dafür spricht nicht nur die Beliebtheit von Tropen. Motive der Emblematik wurde in Büchern gesammelt und von dort in die Malerei und in die Literatur übernommen. Die Emblematik geht aus von der 1531 in Augsburg gedruckten lateinischen  Emblemsammlung des italienischen Rechtsgelehrten Andrea Aiciati. Diese Embleme bestehen aus einem Holzschnitt, der imago oder pictura. Nur bestimmte Stoffe und Themen galten als literaturwürdig. Das Schicksal christlicher Märtyrer prägte die jesuitische Kultur. Die antike Kultur wurde in historischen und idyllischer Literatur durch die Taten antiker und ritterlicher Helden, ländliche Idyllen und Schäferspiele thematisiert. Das Herrscherlob war ein Thema der Literatur, das die Nähe von poetischen Werk und politischer Kultur nur zu offensichtlich zeigt. Die emotionale Verfasstheit und das Lebensgefühl der Kultur spiegeln Frauenpreis und Liebe, die Aufforderung zum Lebensgenuss und das memento mori wieder. Bezogen auf dieses Lebensgefühl ist eine ausgeprägte Antithetik das vorherrschende Grundprinzip barocker Dichtung mit den Motiven von Diesseits und Jenseits, Schein und Sein, Pracht und Vergänglichkeit, irdischer Vergänglichkeit und himmlische Seligkeit in Gott. Das Lebensgefühl spiegelt sich in dem Gegensatz zwischen Tugend und Wollust bis zur leidenschaftlichen Sinnenlust und Lebensgier wieder.

 

Die Anthologie Neukirchs ist eine Sammlung von ausgewählten, ursprünglich noch nicht publizierten literarischen Texten wie Gedichten, Aphorismen, Epigrammen, Sprüche, Erzählungen von zumeist mehreren Autoren. Die 1695 bis 1727 herausgegebene siebenbändige Sammlung Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesener und bisher ungedruckter Gedichte des Benjamin Neukirch begründete die deutsche Traditionslinie nationalsprachlicher Anthologien. Die Anthologia sacra seu De selectis piorum hominum virtutibus, animique ornamentis von Louis de Cressolles  wird in Paris im Jahre 1632 veröffentlicht. Die Anthologia latina poetica von Friedrich Ast erscheint in München im Jahre 1812. Die Anthologia aesthetica wird von Friedrich von Schlegel im Jahre 1935 herausgegeben. So hat dieses Werk Neukirchs –weit über die zusammengestellten Texte hinaus- einen Anspruch auf Repräsentativität für die Kultur der Sprache und die literarischen Gattungen dieser Zeit von der schönen Literatur bis zu Gebrauchstexten – wobei zu diesem Zeitpunkt keine strenge Grenze zwischen beidem existierte.  Das Konzept der kulturellen Einheit dieser Zeit stellte das Werk durch die gattungsgeschichtlich uneinheitliche Verbindung unterschiedlicher Gattungen dar.

 

Dichtung und Rhetorik waren im Lehrplan der Universitäten zumeist durch die Personalunion eines Professors bis in das frühe 19. Jahrhundert behandelt worden. Auch Neukirch hielt seit 1691 Vorlesungen über Poesie und Beredsamkeit in Frankfurt an der Oder und Halle.[11] Patriotische Strebungen im Deutschland des 17. Jahrhunderts und die Sprachgesellschaften führen zu einer Aufwertung des Deutschen als Muttersprache gegenüber alten Sprechen. Alle Barockdichter schreiben über die Auseinandersetzung mit den  Zeitereignissen, die Skepsis über die Eitelkeit und die Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit des Lebens. Die deutschen Dichter begannen nun, die deutsche Sprache zu pflegen, nachdem sie vernachlässigt worden war (auf barocken Höfen wurde französisch gesprochen) Palmenorden wurde von Fürst Ludwig von Anhalt 617 gegründet: Sie versuchten, sich mit der deutschen Sprache auseinander zu setzen, um eine für die Poetik geeignete deutsche Sprache zu entwickeln. Die Dichter versuchten, alle ausländischen Begriffe aus der deutschen Sprache zu entfernen oder sie versuchten, deutsche Begriffe auf den lateinischen Ursprung zurückzuführen. Mit unter finden sich Schriften, in denen Latein und Deutsch miteinander das Lexikon des Textes bilden.

 

Christian Hoffmann von Hoffmannswaldaus Deutsche Rede-Übungen, Lob-Schriften vornehmer Standes-Personen und Proben der Beredsamkeit  werden in Leipzig im Jahre 1695 veröffentlicht. Johann Rudolph Sattlers Teutsche Rhetorick / Titular Und Epistelbüchlein / in sich haltend: Erstlich ein Underricht Rhetorischer art nach allerhand Episteln anzustellen: So dann wie die Salutation / Eingang und Uberschrifft eines Sendbrieffs an ein jede Geistliche / und Weltliche person geschrieben werden soll. Und letstlich allerley Grußschreiben / Wünschungen glücklichen Newen Jahrs / Gratulation / Credentz / Promotorial / und Intercessionschreiben / Hochzeitladungen / Gevatterbittungen / Klag / und andere mehr Schreiben / wie die so wol bey den Cantzleyen: als den privat Personen in ubung sind. Sampt etlich mündlichen Werbungen / von newem ubersehen / umb viel gemehrt / und jetz zum andern mahl in Truck gegeben wird in Basel im Jahre 1607 veröffentlicht.

 

 

 


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Die Dichtung und die Sprachreform des 17. Jahrhunderts

Veröffentlicht wurden Hoffmanswaldaus Gedichte erstmals sechs Jahre nach seinem Tod durch Benjamin Neukirch in dem Sammelwerk Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte in Leipzig im Jahre 1695. Das Unternehmen erwies sich als verlegerischer Erfolg. Es wuchs bis 1727 auf sieben Teile und erlebte unter wechselnden Herausgebern zahlreiche Neuauflagen. Durch die Distanz einerseits zwischen der kühnen Thematik seines Werkes und den Lebensumständen des Autors sind Voraussetzungen gegeben, das jeweils Darzustellende in den Bereich poetischer faktizitärer Unverbindlichkeit zu übertragen.

 

Poetik-Bücher verfassten Philipp von Zesen (1640), Johann Peter Titz (1642), Johann Klaj (1645), Georg Philipp Harsdörffer (Poetischer Trichter (1647)), Andreas Tscherning (1658) und Daniel Georg Morhof (1682). Nicht nur die Regulierung der Dichtkunst, sondern auch die Pflege und Förderung der deutschen Sprache war das Ziel der im 17. Jahrhundert zahlreich gegründeten Sprachgesellschaften, deren Mitglieder neben Literaten und Gelehrten sich aus Fürsten, Adligen und Hofbeamten rekrutierten. Die politisch-konfessionelle Spaltung des Reiches schlug sich auch im  kulturell-literarischen Bereich nieder und führte zu einer weitgehend getrennten Entwicklung von protestantischer und katholischer Literatur.  Die katholischen Autoren verweigerten sich bis auf wenige Ausnahmen der Sprach- und Literaturreform zu Anfang des 17. Jahrhunderts. Sie setzten vielmehr eine der (katholischen) europäischen Tradition verpflichtete neulateinische Produktion fort. Diese Tradition lässt sich an den Rhetoriken bzw.  Poetiken von Jacobus Pontanus und Jacob Masen sowie an der Lyrik Jacob Baldes aufzeigen. Mit Blick auf ein breiteres Publikum entstand zugleich im Dienst der katholischen Reformbewegung eine der süddeutschen Sprachtradition verpflichtete volkssprachliche Literatur vorwiegend religiösen Charakters. Die protestantische Literatur um Martin Opitz und um die Sprachgesellschaften (Gründung der Fruchtbringenden Gesellschaft 1617) hatte sich vor allem das Ziel gesetzt, die deutsche Literatur auf der Grundlage humanistischer Auffassungen zu erneuern und so den Anschluss an die volkssprachlichen europäischen Renaissanceliteraturen zu gewinnen.

 

Das Anlegen und Edieren von Sammlungen, die den zeitgenössischen Gebrauch der deutschen Sprache durch die Gegenwartsdichtung dokumentierten, erwies sich als ein Verfahren der Sprachpflege und Reform, das bereits im Barockzeitalter von den Sprachgesellschaften erprobt worden war. Im Jahre 1662 wird von Christoph Lehmann die Sammlung Florilegium Politicum auctum. Das ist: Ernewerter Politischer Blumen-Garten als eine Zusammenstellung von außerlesene[n] Politische[n] Sententz[en], Lehren, Reguln, und Sprichwörter[n] auß Theologis, Jurisconsultis, Politicis, Historicis, Philosophis, Poeten, und eygener Erfahrung und mit schönen newen Frantzösischen und Teutschen Sprichwörtern in Frankfurt herausgegeben. Auch Sammlungen von einzelnen Dichtern sind Beispiele für die Pflege der deutschen Sprache. Der aus Breslau stammende Heinrich Mühlpfort (1639-1681) war ein Freund Hoffmannswaldaus und Lohensteins. Seine Dichtungen, die zu Lebzeiten nur handschriftlich und zerstreut vorhanden waren, wurden nach seinem Tod unter dem Titel Teutsche Gedichte veröffentlicht. Daniel Caspers von Lohensteins Werk Grossmüthiger Feldherr Arminius, oder, Hermañ  als ein tappferer Beschirmer des deutschen Freyheit, nebst seiner durchlauchtigen Thussnelda wird von Neukirch als Beitrag zur deutschen Kultur, die von Hermann personifiziert wird, in Leipzig im Jahre 1689 publiziert. Neben der von Neukirch gestalteten Anthologie werden in der unter dem Pseudonym Christian Friedrich Hunold herausgegebenen Anthologie Auserlesene und noch nie gedruckte Gedichte unterschiedener berühmten und geschickten Männer unter dem Pseudonym Menantes jeweils mehrere Gedichte von Brockes, Knorr von Rosenroth, Neukirch, Richey und von Hunold publiziert, die in Halle in dem Jahren 1718 bis 1721 verlegt werden. Unter den Akronymen B.N., E.M. und C.S. für Benjamin Neukirch, Elias Major und Caspar Stieler erscheint eine Anleitung zur Poesie darinnen ihr Ursprung, Wachsthum, Beschaffenheit und rechter Gebrauch untersuchet und gezeiget wird in Breslau im Jahre 1725. Caspar Gottlieb Lindners Werk Deutsche Gedichte und Uebersetzungen mit vielen poetisch- und historischen Anmerkungen, auch alten und höchst seltenen schriftlichen Urkunden versehen wird in Breslau und Leipzig im Jahre 1743 verlegt.

 

War in der Renaissance noch vorwiegend die Dichtungen in Lateinisch geschrieben, so wurden sie im Barock allmählich von der Deutschen Sprache abgelöst. Für die Literaturreform an sich steht Martin Opitz mit seinem Werk Buch von der Deutschen Poeterey. Es enthält Vorschriften für Verse und Textverfassungen für beinahe alle Gattungen wie Dramen, Romane und Lyrik. Am bedeutendsten ist der Abschnitt, welcher die metrischen Vorschriften für Sonette, Epigramme und Lieder erläutert. Zum Beispiel soll der Alexandriner nur in Sonetten und Epigrammen verwendet werden. Die Barockdichter hielten sich auch meist an die Vorgaben, den der barocke Leser erwartete von ihm, dass das Werk einer bestimmten Gattung den Vorgaben entsprach. Nur selten wurden bestimmte Vorgaben ein wenig abgeändert. Die Dichtungen des Barock sind daher keine Erlebnisdichtungen, da Formen als auch Themen vorgegeben wurden. Die deutsche Sprache setzte sich überall in der Dichtung durch. Doch die politische und religiöse Trennung des Reiches führte dazu, dass es auch bald in der Literatur und im kulturellen Leben zu einer Spaltung kam: viele katholische Dichter kannten die protestantische Literaturreform nicht an und so wurde in katholischen Gebieten weiterhin hauptsächlich lateinische Dichtungen betrieben.

 

Die Dichtungen, die in Schlesien entstehen, sind stark intellektuelle bestimmt und zeigen kunstvolle Formbeherrschung. Im 16. und 17. Jahrhundert bildeten Schlesien und die Oberlausitz das Zentrum der deutschen Mystik. Ein buntes Durcheinander von Konfessionen und Sekten hatte zur Folge, dass damals in Schlesien eine unruhige geistige und religiöse Atmosphäre herrschte, die die Entwicklung mystischen Denkens begünstigte. Die Bemühungen um Sprachreinheit aber hatten einen noch tieferen Grund als den des Sprachpatriotismus. Und dieser Grund führt uns wieder an den Anfang, auf das Weltbild des Barock zurück. Man war überzeugt, dass Adams Sprache die eigentliche Ursprache gewesen sei, die Adam direkt von Gott erhalten habe. Jedes Wort dieser Sprache, habe daher das tiefste, göttliche Wesen eines jeden geschaffenen Gegenstandes, den sie bezeichnete, genau getroffen. Die Neukirch´sche Sammlung gilt als die bedeutendste Anthologie spätbarocker Lyrik. Herausgeber waren nach Neukirch, der nur die beiden ersten Bände redigiert, Erdmann Uhse für den dritten, C. H. Hölmann für den vierten und fünften, Gottlieb Stolle und E. Gerhard für den sechsten Band sowie G. Fr. W. Juncker. Wegen des langen Erscheinungszeitraums dokumentiert diese Sammlung sehr anschaulich die jähe, durchgreifende Wandlung des Zeitgeschmacks. Während die von Neukirch selbst redigierten ersten beiden Bände noch ganz im Banne der zweiten schlesischen Schule stehen, belegen die letzten Bände den Umschwung vom Hochbarock zur Frühaufklärung. Nur die beiden ersten Bände enthalten in größerer Zahl Dichtungen von Hoffmanswaldau, so dass der für die weiteren Bände beibehaltene Titel völlig irreführend ist. Als Dokument der Philologie dieser Zeit ist die Sammlung von Bedeutung, -versuchte man so nicht zuletzt eine Ansammlung für die zeitgenössische deutsche Sprache mit Vorbildcharakter zu veröffentlichen.

 

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts liegt eine Pluralität der Genre und Stile vor: Lehrgedichte, philosophische bzw. theologische Gedichte, Rokokolyrik, Fabeln, Regeldramen als Tragödie und Komödie, Hoftheater, Briefstellerei, pietistische Lieder, schöne Wissenschaften, Philosophie und eine philosophisch begründete Formenlehre, die mehrere Gattungen als Ausformungen der Dichtkunst sieht. Es gibt noch keine Poesie, die den strengen Regelkanon verlässt, wie sie in der Empfindsamkeit geschaffen wurde. Im protestantischen Norden Deutschlands entstand im Barock ein kulturelles Nationalbewusstsein, das die kulturelle Überlegenheit des Auslandes angriff. Eine Sprachreform sollte das Niveau der deutschen Sprache auf das der lateinischen und französischen heben. Dabei sollten vor allem Einheitlichkeit, Ausdrucksfähigkeit und Wohlklang der Sprache gehoben werden, beispielsweise durch Vermeiden ungehobelter Ausdrücke und Dialektwörter und durch Eindeutschen von Fremdwörtern. Insgesamt war man bemüht, im Sinne von Opitz eine neue deutsche Dichtung zu begründen. In seinem Buch von der Deutschen Poeterey formulierte dieser die Forderung nach Wohlklang, Eleganz und Klarheit des Deutschen und entwickelte, auf die Poetik der Antike und Renaissance gestützt, die Vorschriften einer gereinigten Kunst und Sprache. Über ein Jahrhundert hinaus galt es als Richtlinie und Maßstab alles künstlerisch poetischen Gestaltens.

 

Neukirch steht mit seine Sammlung in der intellektuellen Tradition des Barockzeitalters,  die deutsche Sprache auf das Niveau des Lateinischen und Französischen zu heben. Vor allem geht es in der poetischen Theorie darum, Einheitlichkeit, Ausdrucksfähigkeit und Wohllaut der Sprache zu erhöhen. Zu diesem Zweck galt es, Barbarismen und Dialektwörter vermieden sowie Fremdwörter einzudeutschen. Res ist für das Zeitalter geradezu charakteristisch, dass gelehrte Schriften und Dichtung lateinische Worte als Fremdworte in deutschen Texten verwenden.  Die Sprachreform ist an den höfischen Gedanken kultureller Verfeinerung geknüpft, andererseits ist sie mit einem  allgemeinen Nationalgefühl verbunden. Für die Sprachreform des frühen 18. Jahrhundert ist Neukirch wiederum als Beispiel der deutschen Sprache ein Vorbild. Nicht von ungefähr ist für Johann Christoph Gottscheds Vollständigere und Neuerläuterte Deutsche Sprachkunst, Nach den Mustern der besten Schriftsteller des vorigen und itzigen Jahrhunderts abgefasset, das nach der Critischen Dichtkunst ein wichtiges theoretisches Werk Gottscheds mit Beispielen guter Schreibart der Barockdichter zu bis Neukirch, ist, Neukirch eine Autorität der Sprachreform.[12]

 

 

 

 

 

 

 




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[1] Es handelt sich um den Druck II - B der Neukirch-Sammlung nach der synoptischen Tabelle bei Metzger und Metzger.  Metzger, Erika A; Metzger, Michael M.: Überlegungen zu Drucken der "Neukirchschen Sammlung"  nach 1750. In: Euphorion 84 (1990), S. 514.


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[2] Ein ausführlicher Kommentar zur Edition von Neukirch findet sich bei:


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Benjamin Neukirchs Anthologie. Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte erster Theil. Nach einem Druck vom Jahre 1697 mit einer kritischen Einleitung und Lesarten. Herausgegeben von Angelo George de Capua und Ernst Alfred Philippson. Tübingen 1961


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Benjamin Neukirchs Anthologie. Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Nach dem Erstdruck vom Jahre 1697 mit einer kritischen Einleitung und Lesarten. Herausgegeben von Angelo George de Capua und Ernst Alfred Philippson. Tübingen 1965


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Neukirch, Benjamin In: Deutsches Literatur-Lexikon. 3.Aufl. Bd. 11. Bern 1988. Sp.173-174.


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[3] Vgl. auch zur Chronologie:

Hübscher, Arthur: Die Dichter der Neukirch'schen Sammlung. Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesene und bisher ungedruckte Gedichte ; Frankfurt und Leipzig 1695 ff. Mit einem Anhang: Zur Chronologie der Gedichte Hoffmannswaldaus. Leipzig [u.a.] 1922


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[4] Vgl. auch:

Haase, Fee-Alexandra: Verliebte Briefe. Zur Gattung der Liebesbriefe in einer seltenen Ausgabe von Gedichten Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik. Stuttgart. 2000. Bd. 108. S. 118-132.


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[5] Die Namen der Sammlung von Neukirch wurden genannt bei: Hübscher, Arthur: Die Dichter der Neukirch´schen Sammlung. In: Euphorion. XXIV. 1922. S. 1-28 u. S. 259-287


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[6] Borgstedt, Thomas: Kuß, Schoß und Altar. Zur Dialogizität und Geschichtlichkeit erotischer Dichtung (Giovanni Pontano, Joannes Secundus, Giambattista Marino und Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau). In: Germanisch-romanische Monatsschrift. Heidelberg 44(1994). H. 3. S. 288-323.


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Borgstedt, Thomas: Herz, Altar und Schoß. Nachtrag zu Hoffmannswaldaus Kußgedicht (Pierre de Ronsard, Philippe Desportes, Edmund Spenser). In: Germanisch-romanische Monatsschrift. Heidelberg 45 (1995). H. 1. S. 104-109.


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[7] Vgl.: Kunst und Künstler: Benjamin Neukirch: In: Die deutsche Literatur. Ein Abriss in Text und Darstellung. Hrsg. v. O. F. Best und H. J. Schmitt. Bd. IV (Barock). S. 60-62


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[8] Bei diesem Druck fehlen durch mangelhafte Bindung die Seiten 71-84, 173-180, 287-298, 307-310, 335-336, 341-342, 389-390


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[9] Neukirch, Benjamin (Hrsg.): Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen außerlesene und bißher ungedruckter Gedichte erster theil. Leipzig 1697. S. 301


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[10] Neukirch, Benjamin (Hrsg.): Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen außerlesene und bißher ungedruckter Gedichte erster theil. Leipzig 1697. S. 302


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[11] Zur Biographie Neukirchs vgl.:


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Ingen, Ferdinand van: Dichtung und Rhetorik im 17. Jahrhundert. In: Levende-Talen. Bilthoven. Netherlands. 1968. 252. S. 689-696


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In: Deutsches Literatur-Lexikon.  (3.Aufl.) Bd. 11, Bern 1988. Sp.173-174.


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Wilpert, Gero von u. Adolf Gühring (Hrsg.): Erstausgaben deutscher Dichtung,   2.Aufl. Stuttgart: Kröner 1992. P.1134-1136. 


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In: Bircher, Martin (Hrsg.): Deutsche Schriftsteller im Porträt. Bd. 1: Das Zeitalter des Barock, München 1979. S. 122-123.


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Dyck, Joachim: Philosoph, Historiker, Orator und Poet. Rhetorik als Verständnishorizont der Literaturtheorie des XVII. Jahrhunderts. In: Arcadia. Zeitschrift für Vergleichende Literaturwissenschaft. I-39020 Parcines (BZ). Italien. 1969. 4. S. 1-15


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Kühlmann, Heinz: Moscherosch und die Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts. Aspekte des barocken Kulturpatriotismus. In: Bibliothek und Wissenschaft 16. (1982). S. 68-84

 


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[12] DeCapua, A. G.; Philippson, Ernst-Alfre: The So-Called 'Neukirch Sammlung'. Some Facts. In: MLN. Baltimore. MD. 1964. 79. S. 405-414

Beare, Robert L.: The 'Neukirch Sammlung'. Some Conclusions. In: MLN. Baltimore, MD. 1963. 78. S. 419-425


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